Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
Vom Netzwerk:
vorangegangenen Nächten begegnet war, da wurde die Türe geöffnet und der Cervenkaließdenj ungen Grafen Bubna eintreten und hinter ihm einen Lakaien, der die Weinkannen trug.
    Der Kaiser sah dem Bubna starr ins Gesicht, trat dann erschrocken einen Schritt zurück und fragte:
»Wer bist du? Was willst du? Wo ist der Colloredo?« »Eure Majestät geruhe sich zu erinnern«, sagte der Hanniwald, »daß der Graf Colloredo vor kurzem nach Gottes Ratschluß den Weg gegangen ist, den wir alle gehen müssen. Eure Majestät weiß es, war auch bei der Messe anwesend, die für Euer Majestät getreuen Diener in der Domkirche gehalten worden ist.«
    »Und das«, nahm jetzt der Graf Sternberg das Wort, »ist sein Nachfolger im Amt, der Vojtech Bubna, Euer Majestät zu dienen. Guter Leute Kind, der Vojtech Bubna.«
    »Er sieht aber dem Bernhard Rußwurm gleich«, sagte der Kaiser, und er trat, indem er abwehrend seinen Arm erhob, wiederum einen Schritt zurück. »Ist es nicht zum Erschrecken, wie er dem Rußwurm gleichsieht?«
    Der Kaiser fürchtete sich bisweilen vor neuen Gesichtern. Sie beunruhigten ihn. Er glaubte in ihnen die Züge längst Verstorbener zu erkennen, von denen er sich verfolgt wähnte. Den General von Rußwurm hatte er vor vielen Jahren als einen Duellanten gefangensetzen und erschießen lassen, und diese Tat, die er im Jähzorn begangen hatte, lastete schwer auf seiner Seele. Aus jedem neuen Gesicht blickte ihn der Rußwurm feindselig und voll Hohn an, er kam immer wieder aus seinem Grabe, um ihn zu bedrohen.
    »Dem Rußwurm? Ach wo!« sagte der Adam Sternberg leichthin. »Der Rußwurm war von kleiner Statur, hatte eine breite Nase und ein fleischiges Kinn. Ich sag' es Euer Majestät, ich kenne den Vojtech Bubna seit den Tagen, da ihm das Hemd aus dem Hosenlatz hing.«
    »Er sieht aber dennoch dem Bernhard Rußwurm gleich«, rief der Kaiser, und die Zähne schlugen ihm aneinander. »Wer bist du? Woher kommst du? Kommst du aus der Hölle?«
    »Euer Majestät zu dienen, — ich komm' aus Prastice. Das ist unser Gütlein, liegt bei Chotebor im Caslauer Kreis«, erklärte der junge Graf Bubna, der nicht begriff, was da vorging und warum ihn der Kaiser so hart anfuhr.
    »Wenn du nicht ein verlogener Geist bist«, sagte der Kaiser, »so bet ein Paternoster, nenn mir die Namen der zwölf Apostel Christi und zähl mir die Artikel des Glaubens auf!«
    Der junge Bubna warf einen bestürzten und fragenden Blick auf den Grafen Sternberg, der aber nickte eifrig mit dem Kopf, und so betete er ein Paternoster, sagte die Namen der zwölf Apostel her, wobei er den Apostel Thaddäus vergaß, dafür aber St. Philppum zweimal nannte, und dann zählte er die Artikel des Glaubens auf, und wo er stecken blieb und nicht weiter wußte, da half ihm der Kammerdiener Cervenka, der hinter ihm stand, mit einem geflüsterten Wort aus der Not.
    Nach dem zweiten Glaubensartikel gab sich der Kaiser zufrieden.
»Es ist gut. Es ist gut«, meinte er. »Du hast recht, Adam, ich habe mich getäuscht, er sieht dem Bernhard Bußwurm nicht gleich. Er mag in Frieden ruhen, der Rußwurm, ich hab' ihm längst vergeben.«
Der Cervenka war hinter ihn getreten und legte ihm den Mantel um die Schulter. Der Kaiser nahm die Weinkanne aus den Händen des jungen Bubna und leerte sie.
»Lustig! Lustig!« sagte er sodann. »Es geht sonderbar zu hier auf der Burg. Heut nacht war wiederum einer bei mir in der Kammer und hat mich geplagt.«
»Wer war bei Eurer Majestät heute nacht?« fragte der Hanniwald, wiewohl er des Kaisers Antwort im vorhinein wußte.
»Einer von seinen Boten«, sagte der Kaiser, der den Teufel nicht gern beim Namen nannte, mit einem leisen Stöhnen.
»Und wiederum in eines Gewürzkrämers Gestalt?« fragte der Hanniwald, und dabei strich er sich sein silberweißes Haar zurecht.
»Nein, nicht in eines Menschen Gestalt«, erwiderte der Kaiser. »Es ist jetzt zwei Tage her, da kamen sie zum erstenmal, seine Boten, sie kamen zu dritt in der Nacht in einer Krähe, eines Kuckucks und einer Hummel Gestalt. Sie schrien aber nicht, wie diese Vögel zu schreien pflegen, sondern sie sprachen mit Menschenstimmen zu mir und plagten mich.«
»Gott steh' uns Sündern bei!« murmelte der Cervenka entsetzt, und der Lakai, der die Weinkannen hielt, versuchte, eine Hand frei zu bekommen, um hastig ein Kreuz zu schlagen.
»Der Kuckuck«, fuhr der Kaiser fort, »begehrte, ich sollt' den Sakramenten, den Messen, den Vigilien, dem Chrysam und dem Weihwasser

Weitere Kostenlose Bücher