Nachtwesen - Die Vollstreckerin
kehrten die Nachtwesen zurück in ihre Domizile und rüsteten sich zum Kampfe. In Scharen riefen sie Skelette und Untote aus den tiefsten Tiefen der Unterwelten hervor und sandten sie über die Insel gen Osten. Flüche, Seuchen und Verrottung folgten ihnen auf dem Fuße und die Elfen fielen zuhauf.
Doch waren die lichten Wesen erstaunlich zäh. Jene bemühten doch in der Tat die Urgewalten der Elemente und setzten sich zur Wehr. Seltsamerweise schienen sie gar nicht an Anzahl abzunehmen und stetig stärker zu werden. So steigerten sich die anfänglichen Scharmützel zu immer langwierigeren Schlachten und die Tage der Kämpfe wurden zu Jahren.
Zwar scharten die obersten Nachtwesen mehr und mehr ihresgleichen um sich, doch wollten die frechen, dürren Lichtwesen keine Ruhe geben. Sie zeigten sich als ebenbürtig und richteten beachtlichen Schaden an, besonders was die stolzen Anwesen der Obersten anging. Auch was den Nachschub an Menschen betraf, wurde das Eis immer dünner. Man konnte sie gar nicht so schnell heran schaffen, wie sie vergingen. So geschah es, dass dieses Mal die Nachtwesen ein Gespräch ersuchten.
Kapitel 2
Die Geburt der kleinen Kyrana fiel zusammen mit jenem großen Ereignis, welches das Zusammenleben auf der Insel Talavan grundlegend ändern sollte. Ein Friedensbündnis zwischen den Nachtwesen und den Elfen war geschlossen worden! So war es keineswegs verwunderlich, dass man zuerst kaum Notiz nahm von dem winzigen Neuankömmling im Hause PeTan, welcher noch dazu so ungewöhnlich anzusehen war.
Schneeweißer Flaum bedeckte das kleine Köpfchen und bot damit keinerlei Kontrast zu der nahezu transparenten Babyhaut. Die Augen hatten einen deutlich rötlichen Schimmer und blickten vom ersten Augenblick an ernst in die neue, ungewohnte Umgebung. Kyranas Elternhaus stand etwas abseits der kleinen Stadt Nocrya, inmitten einer sonnenüberfluteten Lichtung.
Da ihr Vater Vedyn Holzfäller war, zuständig für den Verkauf von Bau- und Brennholz, hatte er die Lichtung selbst gerodet und auch kräftig Hand angelegt beim Bau des hübschen Häuschens. Ihre Mutter Jara, eine zarte und stille Frau, richtete das kleine Anwesen liebevoll ein, so gut es die knapp bemessenen Einnahmen ihres Gemahls und ihr eigenes Einkommen erlaubten.
Schlichte Möbel fanden sich in jedem der drei Zimmer. Feldblumen brachten Farbtupfer in die Mischung aus dunklem Holz und grobem Leinen. An den Fenstern sah man bunt gefärbte Vorhänge - und eine fein gearbeitete Glocke kündigte vor der Haustür mit wohltönendem Klingeln einen jeden Besucher an. Man sollte meinen, diese Idylle hätte dazu beigetragen, dass Kyrana ein glückliches Leben führen würde, doch dem war nicht so...
Ihr Äußeres, welches so ganz anders war, als das der übrigen menschlichen Bewohner auf Talavan, gab Anlass zu getuschelten Gerüchten und wilden Spekulationen. Hatte sie nicht das gleiche weiße Haar, wie die Elfen in den abgelegenen Wäldern? Argwöhnisch beobachtete und beäugte man ihre Mutter, ob sie nicht vielleicht des Nachts heimlich davon schlich, sich mit einem jener lichten Wesen zu vereinigen.
Denn das Vermischen des reinen Blutes unter den beheimateten Arten war bei strenger Strafe untersagt. Und obwohl sich keine Gründe fanden, Kyranas Mutter ein Fehlverhalten nachweisen zu können, wurde das ungewöhnliche Kind weiterhin gemieden sobald sie sich den Gassen der Stadt näherte. So war Kyrana einsam und in sich gekehrt. Sie lernte früh, sich mit sich selbst zu befassen, da ihre Eltern den größten Teil des Tages beschäftigt waren.
Geschwister hatte sie nicht und würde wohl auch keine mehr bekommen. Zu groß war noch immer der Schreck, den ihre Geburt hervorgerufen hatte. Am liebsten mochte sie die späten Abende, wenn die unfreundliche Welt um sie her in gnädiges Dämmerlicht getaucht war und sie sich in der Nähe ihrer geliebten Eltern aufhalten konnte. Dann sah man gelegentlich sogar ein kleines Lächeln über ihre Lippen huschen.
*
Am Tage ihres zehnten Wiegenfestes erwarteten Kyrana zwei Überraschungen. Zur Frühstückszeit schon war sie hellwach und schlich sich hinaus. Am Brunnen neben dem Häuschen reinigte sie sich Gesicht und Hände und huschte dann eilig wieder hinein, zu sehen, ob ihre Eltern schon erwacht waren. Das schlichte Baumwollhemd tanzte munter um ihre dünnen Beine, als sie in die Wohnküche stürmte und dort mit großen Augen stehen blieb.
Festlich gedeckt war der Tisch, übersät mit allerlei Köstlichkeiten,
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