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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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zuletzt vor zwei Wochen um einen Termin gebeten.
    – Pippo selbst?
    Emma war beeindruckt. Stan reichte ihr eine Visitenkarte, die er seinem Jackett entnahm.
    – Ruf mich an. Dann machen wir etwas ab.
    Hocherfreut strahlte sie mich an. Wenn es nicht so sinnlos gewesen wäre, hätte ich den Kerl nun windelweich geprügelt. In dieser Situation wurde mir wieder einmal überdeutlich vor Augen geführt, dass ich keine Ahnung hatte, wie Frauen wirklich tickten. Vielleicht durchschaute Emma ja dieses doofe Spiel, vielleicht fand sie sein Gehabe genau so albern wie meine Machoausraster, die ich manchmal an den Tag legte. Aber tief in mir hockte fett und hässlich die Angst, dass sie sich von seiner brusthaarigen Virilität beeindrucken ließ. Wahrscheinlich hatten Kerle wie er oben am Kopf eine Testosteronzerstäuberdrüse sitzen, mit der sie jede Frau gefügig machen konnten.
    Wie gern hätte ich nun meine wunde Seele tüchtig mit Alkohol bepinselt!
    Stan zelebrierte weiter seine Wichtigkeit. Er zog aus einer schmalen Ledermappe ein Papier hervor und setzte seine Lesebrille auf, die ihm diese hochmütige Anmutung gab, wenn er über die Gläser hinwegblickte. Er überflog das Blatt.
    – Wahrscheinlich übernehmen wir das Programm später einmal in eines unserer Häuser. Könnte ein amüsanter Abend werden.
    Die Darbietung hatte die Form eines Theaterstücks, bei dem Wolfertshofer in unterschiedlichste Rollen schlüpfte: Von Diadochenkämpfen aufgerieben, lag Bayern danieder. Das Erbe der großen Parteiführer und Ministerpräsidenten war verschleudert. Zwar bestimmte die göttliche Vorsehung dies vorher, aber man wies auch einen Ausweg. Die Last, ihn zu beschreiten, ruhte vollständig auf den Schultern eines Einzelnen: Franz Josef Strauß musste die Existenz eines Tulku auf sich nehmen. Obwohl er bereits ins Nirwana eingegangen und seine Wiedergeburt daher nicht mehr notwendig war, entschloss er sich zu freiwilliger Rückkehr, bis Land und Leute gerettet sein würden. Die Zeichen hienieden, in denen sich seine Rückkehr kundtat, wurden beredter: Wie Eisenspäne in einem Magnetfeld ordnete sich der Blumenschmuck in seiner Gruft immer wieder neu zu einem Wegweiser Richtung Nordost, nach Niederbayern hinein. Die letzten seiner Weggefährten wurden von Träumen heimgesucht, die übereinstimmend einen kräftigen jungen Mann beim Holzhacken zeigten. Mit einigen persönlichen Gegenständen ausgestattet, zog eine Gruppe los, um den Erwählten zu finden. Über Tacherting, Burghausen, Braunau und Bad Füssing stießen sie ins tiefste Niederbayern vor. Als sie ihn schließlich im Dreiländereck aufgespürt hatten, stellten sie fest, dass er bereits unverbrüchlich mit einer anderen Partei liiert war. Auch die göttliche Vorsehung hatte sich dem freien Willen des Menschen gegenüber als machtlos erwiesen und begann in tragischer Verschlingung den Niedergang des Bayerlandes herbeizuführen, den sie eigentlich hatte abwenden wollen. Doch die letzten Getreuen bäumten sich dagegen auf. Noch vor Ort schlossen sie sich zur Böhmerwaldloge zusammen, einem Geheimbund, der die illegitim gewordene Abkunft der Staatspartei für immer verhüllen sollte. Gemeinsam bildeten sie seither das eigentliche Machtzentrum, das die Fäden in der Hand behielt und Führungsfiguren nach Belieben einsetzte und verschob.
    In der Tat war Wolfertshofers Programm geistreich und witzig. Hätte ich den Nerv dafür gehabt, hätte ich einen rundherum vergnüglichen Abend verlebt.
    Im Halbdunkel linste ich immer wieder zu Emma hinüber. Da saß sie also, meine attraktive Italienerin, mit ihrem graufädig durchzogenen dunklen Haar, ihrem sanft geschwungenen Profil, aus dem die markante Nase hervorstach, und ihrer Figur, an der auch einem parthenogenetisch gezeugten Außerirdischen der große Unterschied zwischen Mann und Frau lehrbuchmäßig verständlich gemacht werden konnte. Innerlich wurde mir ganz weh, ich hatte Angst, sie zu verlieren. Sie aber schien mir so ganz bei sich, sie lauschte, lachte und klatschte.
    Mit seinem etwas mysteriösen Schluss ging Wolfertshofer ab, und es wurde dunkel. Als die Scheinwerfer wieder angingen, stand er oben auf der Bühne, zeigte sein verzinktes Grinsen und war sichtlich geschmeichelt von dem Beifall, der auf ihn hemiederprasselte.
    14
    Hinterher saßen wir noch mit Wolfertshofer im Gastraum. Ich hatte das x-te Alkoholfreie vor mir, das ich lustlos Glas für Glas wie in einen Gully abgoss. Ansonsten hing ich deplatziert an einer

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