Nackige Engel
richtig moderne Möbel, fanden jüngere Geschmack an den alten Sachen. Studentenkneipen konnten gar nicht genug von dem alten Nippes haben, der so saugemütlich war. Manchmal fuhren wir den Krempel nur von einem Ort zum anderen, um ihn zu verkaufen, und hatten dann auch noch gut dabei verdient.
– Und dann?, fragte Emma entgeistert.
Ich wusste, was sie meinte. Nicht so sehr, warum wir nicht mehr zusammen arbeiteten, sondern warum der eine zum Hallenkönig wurde und der andere ein Krauterer blieb. Aber dazu sagte ich nichts.
– Wie es eben so geht: Streit. Plötzlich passte nichts mehr zusammen. Zum Schluss gab es sogar noch eine Prügelei. Mit ein paar Bekannten als Schutztruppe habe ich meinen Anteil an unserer Ware aus dem Geschäft geholt, meine persönlichen Habseligkeiten zusammengepackt und bin ins Schlachthofviertel verschwunden. Den Rest kennst du ja.
Emma sah auf die Uhr und stand auf.
– Ich kann heute leider nicht bleiben. Pippo erwartet mich morgen ganz früh im Büro.
Sie lächelte und küsste mich auf die Wange.
– Und unser Essen?
– Lass uns einfach telefonieren.
Sie winkte und verschwand. Ihr Weggang bildete den traurigen Schlusspunkt eines rundherum beschissenen Abends.
15
Ich schlief schlecht und wurde von schweren Träumen geplagt. Jede neue Stunde begrüßte ich mit Handschlag. Nicht dass ich Emma angelogen hatte, aber ich hatte ihr das Wesentliche verschwiegen. Der eigentliche Streit zwischen Stan und mir war nie ausgetragen worden, weil ich feige den Schwanz eingezogen und mich von der Bildfläche gemacht hatte. Deutlicher als in dieser Nacht, in der ich Detail für Detail noch einmal nacherlebte und erlitt, war mir nie geworden, dass ich in dieser Sache komplett versagt hatte.
Damals waren wir noch Partner gewesen, und unsere Geschäfte liefen so gut, dass wir uns zutrauten, eine neue Stufe zu erklimmen. Stan stürmte mit der Nachricht in unseren Laden, dass für ein ehemaliges Trambahndepot in der Dachauer Straße ein neuer Pächter gesucht werde. Ich verstand nicht, was das mit uns zu tun haben sollte. So viel Borniertheit brachte Stan auf die Palme. Ein Kleinkrämer wie ich könne nur die von anderen bereits ausgelatschten Trampelpfade entlanglaufen. Seine Vision sei ein Antikzentrum, wo von Omas Pelzmantel über das Kristallglas bis zum Nussbaumschrank alles feilgeboten werde.
– Aber so viel Ware können wir doch gar nicht beibringen, sagte ich.
Stan haute sich mit der flachen Hand an die Stirn.
– Wir nicht, aber andere!
Er schnappte sich ein Blatt Papier, skizzierte den Grundriss der Halle und schraffierte Verkaufsstände und Gänge hinein. Drumherum ließ er noch ein Cafe und einen Naturkostladen erstehen. Das Ganze hatte nun das Aussehen einer Messehalle.
– Wir sitzen oben im Büro und schauen zu, wie sich die anderen mit den Kunden abplagen. Wir konzipieren das Ding und vermieten weiter, klar?
Ich war beeindruckt. Stan hatte einfach Ideen und auch Mut. In tagelanger Arbeit perfektionierten wir anschließend das Projekt und brachten es effektvoll zu Papier. Dann kam der Tag, wo wir uns vor einer Kommission der Verkehrsbetriebe vorzustellen hatten. Ich schwitzte schon morgens Blut und Wasser. Aus unserem Kleiderbestand hatten wir uns zwei gut erhaltene Anzüge herausgesucht. Aber mit unserer gewohnten Montur legten wir auch alles andere ab, was uns interessant und selbstbewusst machte. Stan wirkte wie ein Stresemanndarsteller aus Obergiesing, ich wie ein aus seiner Kleidergröße herausgewachsener Firmling, der sich mit dem Schuhlöffel noch einmal in sein altes Sakko gezwängt hatte. Als wir den Raum betraten, in dem legere ältere Herren bei Kaffee und Gebäck in gepflegtem Oberbayerisch miteinander schnäbelten, waren wir bereits abgefrühstückt. Woran es letztlich fehlte, veranschaulichte einer von ihnen mit reibenden Bewegungen seiner Daumen- und Zeigefingerkuppe: am Geld.
Auf dem Gang draußen begegnete uns Innerkofler vom Hacklbräu, von den Segnungen seiner Großküche herausgemästet wie eine Kotelettsau, die ihre rosa Schwarte gegen die landesübliche Lodentracht eingetauscht hat. Kommod und authentisch eben, nicht so verkleidet wie wir. Innerkofler schenkte uns ein Lächeln, das nach dem bayerischen Fairnessgedanken Der Dumme probiert‘s! maßgeschneidert war. Innerkofler hatte, das wurde uns sofort klar, weder ein Konzept noch Ideen, er schaute halt mal bei den Herren vorbei, um zu sagen, dass er – wenn es recht wäre – die Halle schon
Weitere Kostenlose Bücher