Nackt
Das sehe ich an deinen Fußgelenken und daran, wie eng du dir den Gürtel schnallst. Dein rotes Gesicht, das Haar, das dir aus dem Kragen sprießt, das Hemd, das dir um die knochige Hüfte schlottert: Vor mir kannst du es nicht verstecken.
Es war, als hätte ich endlich die echte Röntgenbrille bekommen, die ich als Kind bestellt hatte. Hinten in den Comics wurde für diese Brillen geworben, welche die Fähigkeit verleihen sollten, durch Kleidung hindurchzusehen. Ich hatte die Tage gezählt, bis die Brille endlich kam, und war klinisch enttäuscht, als ich entdeckte, dass man mich betrogen hatte. Sie bestand aus einem schwarzen Plastikgestell mit Gläsern aus Pappe. Die Augäpfel erschienen blutunterlaufen und die Pupillen waren winzige Gucklöcher vor schlichtem roten Acetat. Die Brille gab mir, wenn ich sie denn trug, den Ausdruck eines Menschen, den das, was er sah, sowohl begeisterte als auch erschöpfte. Sie suggerierte die manische Mattigkeit, die bereits in dem begründet lag, was sie versprach; sie hielt den Augenblick fest, in dem der Glanz zu schwinden beginnt und die neugefundene Gabe zu etwas wird, was eher einer Bürde ähnelt.
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