Nacktes Land
einer, der das Land bezwingen konnte, so daß unter seinen Sohlen Wüsten zu blühen begannen, und er wußte auch über die Frauen zu gebieten, stark wie ein Baum, Schutz und Halt verheißend. Jetzt aber, unter anderen Verhältnissen und so weit weg von zu Hause, kam er ihr in ihrer Enttäuschung ganz anders vor. In der ungeheuren Weite wirkte er kleiner. Das rauhe Klima schliff seinen Humor ab, ähnlich wie der Wind den Sandstein zerklüftete und die Bäume bog, so daß ihre Wurzeln tiefer in dem durstigen Boden nach Nahrung und Halt graben mußten. Aber wenn der Boden trocken war und die Wurzeln nicht tief genug reichten, mußte der Baum sterben. Genauso würde ein Mann sterben, wenn nicht genug Liebe und Kraft ihn umgaben, um ihn vor dem Sturm zu schützen.
Sie hatte ihn geliebt. Sie liebte ihn immer noch. Aber ob es reichte? Das war eine schwierige Frage, und sie durfte nicht mehr allzu lange mit der Antwort warten.
Sie fröstelte, als der Wind die erste Abendkühle brachte, und ging ins Haus. Dort hantierten die Lubras auf leisen Sohlen in der Küche herum und deckten den Tisch zum Abendessen. Es war ein besonderer Abend, und von Mary hing es ab, ob er heiter oder traurig verlief. Heute war ihr Hochzeitstag, und Lance hatte versprochen, bis Sonnenuntergang zu Hause zu sein.
Gewöhnlich machte er sich nichts aus solch weiblichen Forderungen nach Pünktlichkeit und erklärte, zunächst geduldig und später irritiert, daß man hier in dem neu besiedelten Land unmöglich nach der Uhr leben könne. Die Herden waren weit über das Gebiet verstreut. Ein Mann war nur so schnell wie sein müdes Pferd, und die Pferde lahmten schnell, hinkten oder bekamen Koliken, weil sie zuviel von dem fetten Gras am Fluß gefressen hatten. Mary solle mit ihm rechnen, wann immer er käme. Sie solle lernen, sich weder zu sorgen noch ungeduldig zu werden, und vor allem sollte sie nicht nörgeln. Eine nörgelnde Frau sei für einen Buschmann schlimmer als ein im Sattel wundgeriebener Hintern. Und was noch wichtiger war: Die Viehtreiber hatten kaum Respekt vor einem Boss, der unterm Pantoffel stand. Für sie stand fest, daß ein Mann, der nicht Herr über seine Frau war, auch nicht Herr über sein Vieh und seine Leute sein konnte.
Aber heute abend – als er das sagte, leuchteten seine Augen auf –, ja, heute abend war es etwas anderes. Er wollte nicht zur Ausmusterung reiten, sondern ins Tal zu den Zuchttieren. Beim Einbruch der Dunkelheit käme er zurück – eine Stunde früher oder später, wie es im Busch so üblich war. Dann hatte er sie geküßt und war gegangen, und die Erinnerung an den Kuß war der einzige Lichtblick in ihrer Trostlosigkeit, ihren Zweifeln und Enttäuschungen. Vielleicht würde heute abend die Leidenschaft neu aufflammen und ihnen beiden neue Hoffnung geben.
Im Eßzimmer legte Big Sally, die Herrscherin über die anderen Hausmädchen, letzte Hand an das Silberbesteck. Sie war mit einem der Viehhirten verheiratet, und vom dauernden Kinderkriegen war ihr schwerer Körper fett und unförmig geworden. Sie trug ein schwarzes Baumwollkleid und darüber eine gestärkte Schürze; aber sie ging barfuß, und ihr breites glattes Gesicht stand in komischem Kontrast zu dem weißen Häubchen. Grinsend sah sie auf, als Mary Dillon hereinkam, und sagte mit ihrer vollen rauhen Stimme: »Alles in Ordnung, Missus. Boss bald kommen, ja? Machen ihm Bad, machen seine Kleider sauber. Gut essen, gut trinken. Vielleicht er wollen diesmal Baby machen?« Ihr fetter Körper zitterte, als sie in glucksendes Gekicher ausbrach, und Mary mußte unwillkürlich mitlachen.
»Kann schon sein, Sal. Wer weiß?«
Die große Lubrafrau kicherte prustend.
»Boss weiß. Missus weiß. Sie träumen es richtig, es kommen …«
Sie eilte hinaus, ihre nackten Füße patschten auf dem Fußboden, und das gestärkte Leinen knisterte. Mary Dillon blieb stehen und betrachtete das weiße Tischtuch mit dem glänzenden Silber, das hier mitten im Niemandsland so fremdartig wirkte.
»Sie träumen es richtig, es kommen …« Die Eingeborenen glaubten, daß ein Kind nur entstehen konnte, wenn nach dem Zeugungsakt ein lebensspendender Geist in die Gebärmutter hineingeträumt wurde. Vielleicht waren es die Träume, woran es bei ihr und Lance fehlte. Sie wünschten sich ein Kind, wünschten es sich über alles, wenn auch aus verschiedenen Gründen; sie aus Sehnsucht nach Erfüllung und aus dem Bedürfnis heraus, ihre Einsamkeit zu beleben; er in der Hoffnung
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