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Nacktes Land

Titel: Nacktes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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glitzerten, ihre Stimme krächzte hysterisch.
    »Stell das Essen für den Boss in den Ofen. Gib das übrige den Mädchen. Ich gehe ins Bett!«
    Die dunkelhäutige Frau sah ihr verständnisvoll und mitleidig nach, dann zuckte sie weise mit den Achseln und sammelte die Glasscherben vom Fußboden auf.
    Mary Dillon rannte ins Schlafzimmer, knallte die Tür hinter sich zu und warf sich schluchzend aufs Bett; sie war verbittert und niedergeschlagen. Lance hatte sie im Stich gelassen, das Land hatte sie fertiggemacht. Es wurde Zeit, allem den Rücken zu kehren.
    Aus seinem Versteck in den Pandangwurzeln, über das mondhelle Wasser hinweg, beobachtete Lance Dillon aus etwa dreißig Meter Entfernung die Lagerfeuer der Myalls am Ufer. Sie hockten auf den Fersen und brieten ein Stück vom Fleisch des erschlagenen Bullen; der Gestank von verbrannten Haaren zog über das Wasser. Jeder der Männer hatte in seinem Rücken ein eigenes kleines Feuer; die Flammen züngelten hoch und beleuchteten die Muskelstränge und die ölige Haut auf Schultern und Brust.
    Die Myalls hatten ihre Waffen in den Sand gelegt und schienen völlig in ihre Mahlzeit und ihre Gespräche vertieft, doch bei jedem Geräusch – sei es der Schrei eines Nachtvogels oder das Hochschnellen eines Fisches – reagierten sie gespannt und aufmerksam; ihre Augen schweiften suchend über den Fluß, und ihre Zähne schimmerten wie poliertes Elfenbein in ihren dunklen Gesichtern. Dillon lehnte sich noch dichter an die Sandbank und schmierte sich sorgfältig noch mehr Schlamm ins Gesicht, damit auch nicht der geringste Widerschein vom Feuer oder vom Mondlicht seine Gegenwart verraten konnte.
    Fünf Minuten, bevor die Jäger den Abhang hinuntergeschlichen waren, hatte er diesen Unterschlupf gefunden, und jetzt war er schon seit sechs Stunden hier. Der Fluß machte an dieser Stelle eine Biegung; an dem einen Ufer erstreckte sich ein breiter Strand, am anderen fiel eine Böschung steil in das tiefe ruhige Wasser ab. Sie war dicht mit Sträuchern bewachsen, und die haltsuchenden Wurzeln der Pandangpalmen reichten wie ein Fischkorb wenigstens drei Meter tief in den Fluß hinein, so daß das Treibholz an ihnen hängengeblieben war und sich eine Art Verschanzung gebildet hatte.
    Dillon befand sich an einer gefährlichen Stelle; die Buschmänner hatten sie ›Krokowasser‹ getauft. Aber er hatte nur die Wahl zwischen einem Myallspeer und der Aussicht auf eine im Morast schlummernde Rieseneidechse. Vorsichtig bog er das Treibholz auseinander und schlüpfte hinter die Wurzeln. Seine Füße sanken tief in dem schlammigen Grund ein und fanden erst auf einem Baumstumpf Halt. Das Wasser reichte ihm bis zur Taille; es war unmöglich, in diesem Wurzelgeflecht aufrecht zu stehen, und er mußte die Schultern schmerzhaft verrenken. Aber das Versteck lag im Schatten, das Treibholz war so dicht, daß, als die Myalls zum ersten Mal stromabwärts nach ihm gesucht hatten, sie bis auf einen Meter herangekommen waren und ihn nicht gesehen hatten.
    Als er ihren Rückzug beobachtete, überkam ihn die Versuchung, in das offene Land auszubrechen, und er mußte hart dagegen ankämpfen, es zu tun. Sie würden bald merken, daß sie ihn verfehlt hatten, und zurückkommen, das war ihm klar. So blieb er, wo er war. Das Wasser bleichte seine Haut, Blutegel saugten sich an ihm fest, eine schwarze Spinne baumelte dicht vor seinen Augen, und ein aufgeregter Schwarm von Insekten umschwirrte ihn. Als die Kälte ihm ins Blut kroch, fing es in seiner Wunde schmerzhaft zu pochen an. Vorsichtshalber klemmte er sich einen dicken Zweig zwischen die Zähne, damit sie zu klappern aufhörten.
    Behutsam versuchte er, sich in eine bequemere Lage zu bringen, doch jede Bewegung bedeutete Gefahr, das wußte er nur zu genau. Ein Stück Holz, das sich löste und den Fluß hinuntertrieb, oder ein Schlammwirbel in der Strömung würde ihn augenblicklich den geübten Augen seiner Verfolger verraten. Er konnte nichts tun, nur abwarten und hoffen, daß sie bei Einbruch der Nacht aufgeben würden.
    Sie kamen früher zurück, als er erwartet hatte. Er sah sie in fünfzig Schritt Entfernung die Abhänge sorgfältiger prüfen und die schattigen Vorsprünge sowie die Vertiefungen unter den Sträuchern genauer untersuchen. Ein großer Bursche arbeitete sich schnell zu seinem Versteck vor. Dillon bückte sich ganz langsam noch tiefer, bis das Wasser sein Kinn umspülte. Als er dann nur noch Hinterteil und Knie des Verfolgers sehen konnte,

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