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Nadelstiche

Nadelstiche

Titel: Nadelstiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baden & Kenney
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Kamerabereichs abgespielt. Er hatte bloß Schreie, Knurren, einen Schlag und ein Aufjaulen gehört. Dann war Manny wieder im Bild gewesen, als sie durch den Raum geflitzt war und sich an dem metallenen Fenstergitter hochgezogen hatte. Seine Freude darüber, dass sie in Sicherheit war, währte nicht lange. Die Öffnung im Fenstergitter war nicht groß, ihre Füße rutschten immer wieder ab. Manny hielt ihr Gewicht größtenteils mit den Armen, und er wusste, dass sie nicht gerade ein Kraftpaket war. Sie würde unweigerlich von da oben runterfallen, genau vor den lauernden Hund.
    »Jake, klingt das einleuchtend?«, fragte Sam.
    »Hä? Wiederhol noch mal.«
    »Ich glaub, ich hab da was gefunden. Asbest wurde bis in die 1960er Jahre für die Herstellung von feuerfester Arbeitskleidung verwendet. Dann kam man allmählich auf den Trichter, dass es womöglich weniger gefährlich war, sich zu verbrennen, als Asbest direkt auf der Haut zu tragen, daher ging man zu chemischen Brandschutzmitteln und anderen Materialien über.«
    »Ahm …« Mannys Füße rutschten ab, und sie strampelte einen Moment lang mit den Beinen, bis sie sich wieder hochgezogen hatte.
    »Jake, im Ernst, jetzt hör doch mal zu. Es gibt eine alte Fabrik in West New York, die einer Firma namens Fireproof Apparel gehört. Und im Wirtschaftsteil der Times hab ich folgende Schlagzeile gefunden: FIREPROOF APPAREL BLOCKIERT NEUGESTALTUNG DER HAFENFRONT IN WEST NEW YORK. Anscheinend traut sich keiner, die Fabrik abzureißen oder zu sanieren, weil sie völlig mit Asbest kontaminiert ist. Deshalb steht sie schon seit Jahren leer. Laut der Times machen sogar Obdachlose einen Bogen darum, weil sie dort anfangen zu husten.«
    Zum ersten Mal seit zehn Minuten riss Jake den Blick von dem Streaming-Video los. »West New York ist nicht weit von Hoboken und dem Club Epoch«, sagte er.
    »Genau. Und nicht weit von Paterson. Und sieh dir das Bild an. Das Gebäude ist so groß, dass keiner die beiden oder den Hund hören würde. Und sieh mal, hier, die Fenster.«
    »Alle mit Metallgittern versehen.« Er griff zum Telefon. »Vito kann in zwei Minuten Leute vor Ort haben.«

60
    Manny konnte sich nicht mehr lange halten.
    Der scharfen Kanten des Gitters schnitten ihr in die Finger. Diesen Schmerz hätte sie noch ausgehalten, wenn da nicht das furchtbare Ziehen in Schultern und Bizeps gewesen wäre. Sie war ein sportliches Mädchen gewesen, doch irgendwann um die dreizehn hatte sie ihre Muskelkraft verloren und nie zurückgewonnen. Sie machte ein bisschen Krafttraining, damit sie in einem schulterfreien Kleid gut aussah, aber das reichte nicht, um ihr gesamtes Körpergewicht über Stunden, wie es ihr jetzt vorkam, zu halten.
    Sie brauchte eine neue Strategie, aber sie hatte herzlich wenig, womit sie arbeiten konnte. Irgendwie musste sie den Hund ablenken, ohne dass er wieder auf Travis losging. Dann könnte sie sich runterlassen und … ja, was dann?
    Ablenken und runterlassen. Das war im Moment das Wichtigste, denn wenn sie auch nur eine Minute länger wartete, würde sie dem Hund direkt in den Rachen fallen.
    Manny bot das letzte bisschen Kraft in ihrer rechten Hand auf und nahm mit der linken ihren großen Emaille-Ohrring ab. Während sie sich einhändig am Gitter festklammerte, warf sie den Ohrring in die andere Ecke. Der Hund reagierte erwartungsgemäß genau wie Mycroft und schoss dem klimpernden Gegenstand hinterher.
    Manny ließ los und sprang. Die wohltuende Erleichterung verdrängte alle anderen Ängste – aber nur für einen Moment. Sie wusste, sobald der Hund begriff, dass der Ohrring als Beute uninteressant war, würde er sich wieder ihr zuwenden. Und dann musste sie bereit sein.
    Strick und Käfig waren zu weit entfernt, um von Nutzen zu sein. In einer einzigen fließenden Bewegung packte Manny den Saum des Sommerkleides und streifte es sich über den Kopf. Dann drehte sie es rasch zu einer langen Rolle zusammen.
    Der Hund bemerkte ihre Bewegung, schnellte herum und griff an. Manny blieb ruhig stehen, das Fenster im Rücken, und sah, wie das Tier auf seinen muskulösen Beinen auf sie zugestürmt kam. Im allerletzten Moment wich sie zur Seite aus.
    Der Hund sprang und landete genau dort, wo Manny gestanden hatte. Diesen Moment nutzte sie, um hinter das Tier zu kommen und ihm das Kleid um den Hals zu schlingen.
    Sie drehte und zog zu. Der Kunstfaserstoff gab deutlich weniger nach, als das Baumwolle getan hätte, und die Garrotte schloss sich um den Hals. Manny

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