Nächte in Babylon
ein. So ein Quatsch, dachte sie. Aber es gab keine andere Erklärung, und es war ein Schnitt, kein Riss. Sofort ließ sie Chandler rechts ranfahren, und als der Wagen vor dem House of Blues zum Stehen gekommen war, kamen ihr der Salat und der Hummer Thermidor wieder hoch und landeten auf dem Bordstein.
4
Der Friedhof lag außerhalb von Palm Springs in der Wüste, ein ekelhaft grüner Schandfleck im Sand, wie ein Golfplatz mit Grabsteinen und Statuen. Es war heiß. Über den Granitplatten flimmerte und flirrte die Luft, als ob die Seelen der in der Hölle schmorenden Verblichenen die große Flatter gemacht hätten. Die ganze Anlage wirkte absurd und geschmacklos, aber absurd und geschmacklos war auch Hollywood, und Hollywood begrub hier gern seine Toten.
David Spandau stand am hinteren Rand der Trauergemeinde, die immer weiter nach vorn drängte, bis es der Geistliche mit der Angst bekam, der Heimgegangene würde Gesellschaft bekommen, und sich nur noch mit einer Ermahnung zu helfen wusste. Unter heftigem Geschiebe wich alles vom Zentrum des Geschehens zurück, und er konnte mit seiner Grabrede fortfahren. Der Mann, der aus Ohio, der Heimat des Verstorbenen, angereist war, kam sich an diesem gottverlassenen Ort vor wie ein Fisch auf dem Trockenen. Nass geschwitzt und von Fernsehkameras gefilmt, konnte er nur noch einen klaren Gedanken fassen: dass er ein Bild abgab wie ein Landei in der großen weiten Welt. Aber die Angehörigen des Toten hatten ihn für seinen Auftritt fürstlich entlohnt und ihn in einem schicken Hotel mit Zimmerservice untergebracht, und da er eine ehrliche Haut war, wollte er ihnen für ihr Geld auch etwas bieten.
»Man sagt, Robert Leonard Dye sei der beste Schauspieler seiner Generation gewesen, und es gibt wohl kaum jemanden, der das bestreiten würde. Jedenfalls nicht die Millionen von Fans, die ihn bewundert haben, und auch nicht seine Freunde und Kollegen, die ihn als einen freundlichen und großzügigen Mann kannten …«
Bobby Dyes Mutter stand weinend vor dem Grab ihres Sohnes. Es waren echte Tränen, was man auf diesem Friedhof sonst nicht sehr oft zu sehen bekam. Ihr ältester Sohn Harry, Bobbys einziger Bruder, hatte den Arm um sie gelegt. Er weinte nicht, aber er hatte ja auch gerade mehrere Millionen Dollar und ein Haus in Malibu geerbt. Hinter ihnen standen Bobbys langjährige Agentin Annie Michaels und der Großproduzent Frank Jurado, der mehrere von Bobbys Filmen finanziert hatte, und neben ihnen Bobbys Freundin Mila-ohne-Nachnamen (wie Cher), das russische Sternchen aus Galaxy Invaders III . Wie ein Jockey beim Hindernisrennen, der eine Lücke in der Reisighecke erspäht hat, versuchte sie, sich nach vorne zu schieben, aber auf ein Zeichen von Bobbys Bruder hin schlossen sich sofort die Reihen. Die arme Mila. Niemand mochte sie leiden. Was vielleicht auch an der Nachlassklage lag, die sie angestrengt hatte.
»Asche zu Asche, Staub zu Staub«, sagte der Geistliche. Er konnte nur hoffen, dass er es für die Medien dramatisch genug rübergebracht hatte.
Während eine Band »Stairway to Heaven« von Led Zeppelin anstimmte, legte jemand einen Hebel um, und der Sarg versank in der Tiefe. Gute Reise, Bobby, du armes Schwein, dachte Spandau. Er reihte sich in die Schlange ein, die am Grab vorbeizog, und warf eine Handvoll Erde auf den Sarg. Frank Jurado stierte ihn böse an. Annie strafte ihn mit Verachtung. Bevor er sich auf den Weg zum Parkplatz machen konnte, wurde er von einem kleinen, rothaarigen Mann am Ärmel festgehalten.
»Hallo, Ginger«, sagte Spandau. Gingers Augen waren völlig verheult. Er hatte fast so weit vom Grab entfernt gestanden wie Spandau, aber er war ja auch nur Bobbys persönlicher Assistent gewesen. Er zählte nicht mehr.
»Bobby hätte die Krise gekriegt«, sagte Ginger. »Er wollte Siegfrieds Trauermarsch. Etwas Geschmackvolles. Er hatte doch schließlich Geschmack. ›Stairway to Heaven‹ ist der reine Schwulst. O Gott, ich glaube sogar, er konnte Led Zeppelin nicht ausstehen. Das ist alles Milas Schuld, das kleine Miststück. Und Bobby? Sitzt auf seiner Wolke und spuckt Gift und Galle. Ich hoffe, Sie haben nicht auch was gegen mich. Das könnte ich nicht ertragen.«
»Warum sollte ich denn was gegen Sie haben?«
»Wegen der alten Geschichte. Weil er Sie nicht mehr sehen wollte, nachdem Sie so viel für ihn getan hatten …«
»Daran konnten Sie doch nichts ändern.«
»Mich haben sie übrigens auch gefeuert«, sagte Ginger. »Gleich nachdem er
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