Nächte in Babylon
die Straße in einem Wendehammer vor einem großen grünen Tor, das seinem Besitzer Schutz vor den barbarischen Horden auf der anderen Seite garantierte. Statt bis zum Tor vorzufahren, hielt Spandau am Straßenrand an und zückte sein Handy.
»Hi, Sie sind mit der Mailbox von Delia Macaulay verbunden. Bitte hinterlassen Sie mir eine Nachricht, ich rufe Sie dann so bald wie möglich zurück.«
Spandau schaltete das Handy schnell wieder aus, doch dann fiel ihm ein, dass sie seine Nummer sowieso auf dem Display sehen würde. Der Fluch der modernen Technik. Wie weit musste es mit diesem Land schon gekommen sein, wenn man nicht mal mehr seiner eigenen Exfrau wie ein anonymer Stalker hinterhertelefonieren konnte? Wenigstens hatte sie sich mit Macaulay gemeldet, ihrem Mädchennamen. Ein gutes Zeichen. Offenbar dämmerte ihr langsam, dass es ein Fehler gewesen war, diese Streberleiche Charlie zu heiraten. In Spandau glomm ein winziger Funke auf, aber der Teil von ihm, der sich noch einen letzten Rest Vernunft bewahrt hatte, wusste, dass es nicht Hoffnung, sondern Verzweiflung war; wie bei einer Figur von Jack London, die kurz davorstand, an Unterkühlung zu sterben. Er fuhr zum Tor, klingelte und streckte den Kopf aus dem Fenster, damit man ihn sehen konnte.
»Ja?«, sagte eine Frauenstimme.
»David Spandau. Ich werde erwartet.«
»Einen Augenblick, bitte.«
Quietschend öffnete sich das Tor. Spandau fuhr hindurch. Es hätte ihn wenig überrascht, wäre Petrus persönlich angelaufen gekommen, um ihn nach seinem Lebenslauf zu fragen. Auf dem Kopfsteinpflaster vor dem Haus wusch ein Schwarzer unter hohen, alten Palmen einen neuen Lincoln Navigator. Es gab auch einen italienisch angehauchten Springbrunnen, dem zur kompletten Stilechtheit lediglich eine neckisch darin herumplanschende Anita Ekberg fehlte. Die Villa selbst, ein großes, graues Gemäuer, glich einer Normannenburg und stach aus der kalifornischen Pracht heraus wie ein Kampfhund aus einem Teekränzchen. Spandau parkte im Schatten einer Palme. Lieber Vogelkacke auf dem Lack als Sitze, die glühten wie eine Bratpfanne.
Eine seriös gekleidete Frau kam zielstrebig aus dem Haus und auf ihn zu. Nachdem Spandau sich mit seinen knapp eins neunzig aus dem Wagen gefaltet hatte, überragte er sie um mehr als Haupteslänge. Sie gab ihm die Hand und musterte ihn mit einem Blick, in dem zu lesen stand, dass sie Hünen wie ihn zum Frühstück verspeiste. Sie war blond, blauäugig und hübsch, aber sie hatte auch etwas Kämpferisches an sich, wie ein besonders attraktiver Präriehund.
»Ich bin Pamela Mayhew, Annas Schwester und ihre persönliche Assistentin.«
»David Spandau.« Er schlug ein. »Von der Agentur Walter Coren.«
»Hier entlang«, sagte sie und marschierte zurück zum Haus. Spandau tappte hinter ihr her. Er hasste frisch-fromm-fröhlich-freie Menschen, vor allem, wenn es heiß war. Der Schweiß rann ihm bis unter den Gürtel am Rückgrat hinunter. In der Villa war es zum Glück kühler. Die halbmeterdicken Wände und die summende Klimaanlage hielten die grausame Welt draußen hübsch auf Abstand. Spandau hatte häufig mit Prominenten zu tun, die im Geld schwammen, und er beneidete sie weder um ihren Reichtum noch um ihre Berühmtheit, sondern allein darum, dass sie sich hinter einem Schutzwall aus Immobilienbesitz verschanzen konnten wie gut gepanzerte Gürteltiere. Was natürlich eine Illusion war. Sie waren noch schutzloser als die meisten anderen Leute, und in seinem Beruf als Privatdetektiv mit dem Spezialgebiet »Hollywood-Elite« hatte er die Erfahrung gemacht, dass auch sie von den Hässlichkeiten des Lebens nicht verschont blieben. Trotzdem fühlte man sich in dieser Umgebung sicher und geborgen. Spandau musste an sein einsames kleines Haus im Valley denken, bei dem die Realität durch alle Ritzen pfiff.
»Ich glaube, ich habe noch nie einen echten Privatdetektiv kennengelernt.«
»Aufregend, was?«, sagte Spandau trocken.
Sie lachte. Ein gutes, ehrliches Lachen. »Verstehe. Sie sind einer von der Sorte, die mit einem lockeren Spruch auf den Lippen den Bösewicht über den Haufen knallt und in der Schlussszene die Frau küssen darf.«
»Bei mir läuft es meistens andersrum«, antwortete er. »Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.«
»Sie sind über Anna auf dem Laufenden?«
»Ich weiß, dass sie schon seit einiger Zeit keinen Film mehr gedreht hat.«
»Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das nicht erwähnen würden.«
Spandau nickte. »Könnte
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