Naechtliche Versuchung - Roman
ihre Tarotkarten. »Buchhaltung? Schwörst du, dass du kein Wechselbalg bist?«
Amanda lachte wieder. »O nein, ich muss einer sein. Und ich wünschte, meine richtige Familie würde auftauchen und mich zu sich holen, bevor dieser ganze verrückte Quatsch auf mich abfärbt.«
Auch Selena brach in Gelächter aus, während sie eine Patience legte. »Weißt du, was dein Problem ist?«
»Klar, ich bin zu prüde und verklemmt«, antwortete Amanda die Wörter wiederholend, die ihre Mutter und die acht Schwestern regelmäßig benutzten, um sie zu beschreiben.
»Stimmt. Außerdem musst du deinen Geschmack ändern.
Lass dich nicht ständig mit diesen geistlosen Krawattenträgern ein, die jeden Tag nach ihrer Mama schreien, weil sie nichts mit ihrem Leben anzufangen wissen. Du brauchst eine Sex-Eskapade, Schwesterchen, mit einem richtigen Mann, der dein Blut erhitzt und wilde Leidenschaft in dir entzündet.«
»Mit einem wie Bill?« Lächelnd dachte Amanda an Selenas Ehemann, der noch prüder war als sie selber.
Selena schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht, das ist was anderes. In diesem Fall bin ich wild und leidenschaftlich und passe auf, dass er nicht zum Langweiler verkümmert. Deshalb passen wir perfekt zusammen, denn wir ergänzen einander. Aber du hast keine Ergänzung. Mit deinen bisherigen Freunden bist du in trister Monotonie versunken.«
»He, ich mag langweilige Männer. Die sind verlässlich, und man muss sich nicht dauernd vor einem Testosteron Überschuss fürchten. Als typisches Beta-Mädchen brauche ich kein Alpha-Männchen.«
Seufzend spielte Selena mit ihren Karten. »So, wie sich das anhört, solltest du eine Therapie bei Grace machen.«
»Ach, tatsächlich?«, stöhnte Amanda. »Bei einer Sexualtherapeutin, die mit einem griechischen Sexsklaven verheiratet ist, den sie in einem alten Buch gesehen und zum Leben erweckt hat? Nein, danke.« Trotz dieses abfälligen Kommentars mochte sie Grace Alexander, die sich auf angenehme Weise von Selenas restlichem ausgeflippten Freundeskreis unterschied, weil sie so bodenständig und wundervoll normal war. »Übrigens, wie geht es ihr?«
»Sehr gut. Vor zwei Tagen fing Niklos an zu gehen, und jetzt ist nichts mehr vor ihm sicher.«
Lächelnd dachte Amanda an den zauberhaften, goldblonden
kleinen Jungen und seine Zwillingsschwester. Sie freute sich jedes Mal, wenn sie von Grace und Julian gebeten wurde, als Babysitter zu fungieren. »Wann kommt das neue Baby zur Welt?«
»Um den 1. März herum.«
»Sicher sind sie schon ganz aufgeregt«, meinte Amanda wehmütig und ein bisschen neidisch. Sie hatte schon immer von einem Haus voller Kinder geträumt. Aber mit ihren sechsundzwanzig Jahren begann sie zu befürchten, dieser Wunsch würde sich nicht erfüllen. Vor allem, weil sich kein geeigneter Mann dafür fand … Wer wollte schon eine Frau heiraten, die aus einer unzurechnungsfähigen Familie stammte?
»Weißt du …«, begann Selena und warf ihr jenen nachdenklichen Blick zu, der Amanda stets erschauern ließ. »Julian hat einen Bruder. Auch er wurde verflucht und in ein Buch verbannt. Wenn du versuchst …«
»O nein, vielen Dank! Vergiss nicht, ich verabscheue diese ganze durchgeknallte Magie, und ich wünsche mir einen netten, normalen, menschlichen Mann, nicht irgendeinen Dämon.«
»Priapus ist kein Dämon, sondern ein griechischer Gott.«
»Für mich kommt das aufs selbe raus. Glaub mir, diesen irrwitzigen Hokuspokus habe ich zur Genüge genossen, als ich mit euch neun Zauberinnen aufgewachsen bin. Jetzt will ich ein normales Leben führen.«
»Normalität ist öde.«
»Warum versuchst du’s nicht mal damit, bevor du es verdammst?«
Selena lachte. »Eines Tages wirst du die andere Hälfte deines Erbes akzeptieren müssen, kleine Schwester.«
Ohne sie einer Antwort zu würdigen, dachte Amanda wieder an ihren ehemaligen Verlobten. Sie hatte sich wirklich eingebildet, Cliff wäre der Richtige für sie - ein netter, ruhiger Informatiker, der durchschnittlich aussah. Genau ihr Typ. Und sie war seine Idealfrau gewesen.
Bis er ihre Familie kennengelernt hatte.
O Gott... Sechs Monate lang hatte sie diese Begegnung hinausgeschoben. Natürlich ahnte sie, was geschehen würde. Aber er bestand darauf, ihre Verwandtschaft zu besuchen. Am letzten Abend hatte sie sich in das Unvermeidliche gefügt.
Mit geschlossenen Augen erinnerte sie sich gepeinigt, wie ihre Zwillingsschwester in der gespenstischen Kleidung, die sie zu tragen pflegte, wenn sie den
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