Nahkampf der Giganten
daß er nicht richtig verstand. »Diesmal sind es unsere, Sir«, erläuterte Seton. Doch dann starrte er auf den toten Piper hinunter und begann zu zittern.
Traurig folgte Herrick seinem Blick. »Wenn sie früher gekommen wären…« Er ließ den Satz unbeendet.
Bolitho legte ihm die Hand auf den Arm und sagte ruhig: »Lassen Sie eine neue Admiralsflagge heißen, Thomas. Es ist immer noch Pomfrets Schiff.« Er mußte die Augen abwenden, weil er Tränen darin brennen fühlte. »Und dann folgendes Signal…« Er zögerte, denn noch einmal sah er all diese Gesichter vor sich: Caswell und Shanks, Rooke und den kleinen Piper. Wie so viele andere vor ihnen gehörten sie schon der Vergangenheit an. Mit gefestigter Stimme gab er das Signal an:
»Hyperion
an Flaggschiff: ›Wir schließen zum Geschwader auf‹.«
Herrick tippte an den Hut und schritt an den jubelnden Matrosen vorbei. Sekunden später stiegen die Flaggen zu einer noch intakten Rah hoch und ersetzten das Signal, das dort so lange gestanden hatte. Irgendwie hatte Piper es geschafft, daß es während der ganzen Schlacht oben blieb – er mußte es ein paarmal ausgewechselt haben.
Herrick nahm Seton das Teleskop aus der schlaffen Hand und richtete es auf die fernen Schiffe. Seine Lippen bewegten sich wie in leisem Selbstgespräch. Dann wandte er sich Bolitho zu und berichtete:
»Victory
an
Hyperion:
›Willkommen. England ist stolz auf Sie‹.« Dann wandte er sich ab, denn er konnte Bolithos traurige Augen nicht ertragen.
Gossett drängte sich durch die immer noch johlenden Matrosen heran und meldete: »Notruder funktioniert, Sir.«
Bolitho fuhr herum und wischte sich das Gesicht mit dem Ärmel.
Er hatte seine Gelassenheit wieder. »Danke, Mr. Gossett. Seien Sie so gut und nehmen Sie Fahrt auf.« Er strich mit der Hand die zersplitterte Reling und fühlte den Schmerz des alten Schiffes wie seinen eigenen. »Wir haben noch einen langen Weg vor uns.«
Gosset wollte etwas antworten, doch Herrick schüttelte den Kopf. Besser als jeder andere wußte er, daß Bolitho den letzten Satz zu seinem Schiff gesprochen hatte. Und in dieses Zwiegespräch sollte sich niemand einmischen.
Epilog
Der Sommeranfang brachte den Menschen die unterschiedlichsten Dinge. Es war bisher der zweite Sommer in einem Krieg, der anscheinend nie mehr enden wollte. In den Städten begrüßten ihn diejenigen mit Erleichterung, die fast schon gefürchtet hatten, daß ihre Insel unter die Ferse des Diktators gerate. Für andere, denen der Krieg viel abgefordert hatte, die verwitwet, verwaist oder fern von ihren Lieben waren, bezeichnete er nur einen weiteren Meilenstein auf dem langen Weg der Einsamkeit und Verzweiflung.
Doch in Cornwall, und speziell im Seehafen Falmouth, wurde er dankbar begrüßt als gerechte Belohnung für Nöte und Gefahren dunklerer Tage. Im Binnenland waren die üppigen Felder, die blühenden Hecken, die Hügel mit ihren verstreut grasenden Schafen und zufriedenen Rindern die sichtbaren Zeichen des Überlebens und des Glaubens an die Zukunft.
In der Stadt selbst herrschte beinahe Feierstimmung. Wenn Falmouth auch klein war, lebte es doch von der See, den Schiffen und Männern, die wie Ebbe und Flut kamen und gingen. Viele Generationen von Seeleuten, für die das Leuchtfeuer von St. Anthony kein bloßes Seezeichen, sondern der erste Gruß der Heimat war, hatten echtes Verständnis für die Angelegenheiten der weiten Welt und erheblichen Einfluß in der Stadt.
Selbst die Nachrichten wurden besser, als versprächen Wärme und blauer Himmel endlich den Sieg. Erst in dieser Woche hatten die städtischen Ausrufer in den engen Straßen und an der geschäftigen Hafenfront das Neueste zur Kenntnis gebracht. Und das Allerneueste war kein bloßes Gerücht, sondern etwas, das auch zage Herzen ermutigte.
Lord Howe hatte im Atlantik gegen eine französische Flotte gekämpft und sie geschlagen, und diese Seeschlacht trug bereits den stolzen Namen »Der glorreiche Erste Juni«. Die Kunde davon wirkte wie ein stärkender Trank. Nach den Rückschlägen und Mißerfolgen auf Grund mangelnder Vorbereitung und Leichtsinn an höherer Stelle war es genau das, was das Land brauchte. Selbst daß Hood vor sechs Monaten hatte Toulon aufgeben müssen, schien nun weniger wichtig, als gehöre es schon zu den vergangenen und vergessenen Mißhelligkeiten des harten Winters.
Für die Leute von Falmouth war alles, was vorher geschehen war, nur noch Geschichte. England war bereit, notfalls bis ans
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