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Nahkampf der Giganten

Nahkampf der Giganten

Titel: Nahkampf der Giganten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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bei den Saintes gefallen. Seitdem dient Allday bei mir.«
    Es waren nur ein paar erklärende Worte, aber was bedeuteten sie nicht alles für Bolitho; auch Alldays Anblick war eine ständige Erinnerung. Die Seeschlacht bei den Saintes, sein Dienst auf der Fregatte
Phalarope,
all das lag jetzt elf Jahre zurück; und wieder war England im Krieg.
    Nachdenklich blickte Leach in Bolithos ernstes Gesicht. Während der ganzen ereignislosen Reise von Spithead bis Gibraltar hatte er das Bedürfnis empfunden, ihm menschlich näherzukommen, aber irgendetwas hatte ihn davon abgehalten. Er hatte schon viele Passagiere nach Gibraltar gebracht: Garnisonsoffiziere, Kuriere, Ersatz für Verunglückte oder Gefallene, denn der Krieg expandierte bereits nach allen Richtungen. Normalerweise war diese Aufgabe eine ganz nette Abwechslung im täglichen Einerlei. Aber etwas an Bolithos leidenschaftsloser, fast zurückgezogener Art hatte einen näheren Kontakt verhindert. Jetzt betrachtete er Bolitho mit einer Mischung aus Interesse und Neid. Bolitho war ein Kapitän von höherem Dienstalter und im Begriff, einen neuen Abschnitt seiner Karriere zu beginnen; wenn er auch nur etwas Glück hatte, würde er in ein paar Jahren, vielleicht schon in Monaten, auf der Anwärterliste für den Admiralsrang stehen.
    Nach dem, was Bolitho soeben gesagt hatte, mußte er Mitte oder Ende der Dreißig sein. Er war groß und so schlank, daß er überraschend jugendlich wirkte, und wenn er lächelte, wirkte auch sein Gesicht jünger. Es hieß, Bolitho sei zwischen den Kriegen mehrere Jahre in der Südsee stationiert gewesen, hätte sich dort ein schlimmes Fieber geholt und sei als schwerkranker Mann zurückgekommen. Das konnte stimmen, dachte Leach. Da waren die tiefen, scharfen Linien um Bolithos Mund, und unter der gleichmäßigen Bräune wies seine Haut an den Backenknochen und unter den Augen jene Transparenz auf, die für eine solche Krankheit charakteristisch war. Aber das in den Nacken zurückgekämmte Haar war schwarz, ohne den geringsten Schimmer von Grau; und mit der einzelnen Strähne über seinem rechten Auge sah er aus wie ein Draufgänger, der sich ständig im Zaum halten mußte.
     
    Ein Leutnant trat grüßend herzu. »Boot ist klar, Sir.« Bolitho streckte die Hand aus. »Also, dann einstweilen adieu, Leach. Zweifellos werden wir bald wieder zusammenkommen.«
    Jetzt lächelte der Fregattenkapitän zum erstenmal. »Das hoffe ich auch, Sir.« Er schnippte ärgerlich mit den Fingern. »Das hätte ich doch beinahe vergessen! Ich habe einen Midshipman an Bord, der für Ihr Schiff bestimmt ist. Soll er mit Ihnen zusammen fahren?«
    Es hörte sich so distanziert an, als spräche er von einem überflüssigen Gepäckstück; und trotz seiner inneren Spannung mußte Bolitho grinsen. »Wir waren schließlich alle mal Midshipmen, Leach. Ja, er kann mitkommen«, nickte er. Dann stieg er zur Fallreepspforte hinab, wo die Bootsmannsmaaten und eine Abteilung Marine-Infanteristen zur Ehrenbezeugung angetreten waren. Seine Kisten und Koffer waren bereits weg; Allday wartete an der Schanz und blickte Bolitho aufmerksam entgegen. »Alles verstaut, Captain«, meldete er und klopfte dienstlich mit den Knöcheln der geballten Faust an die Stirn.
    Bolitho nickte. Allday hatte etwas äußerst Zuverlässiges an sich.
    Zwar war er nicht mehr der schlanke, geschmeidige Toppmatrose von einst. Er war breiter und stärker geworden und sah in seinem blauen Jackett und den weißen Segeltuchhosen so kraftvoll und unzerstörbar aus wie ein Felsen. Aber seine Augen waren noch immer dieselben: nachdenklich und leicht amüsiert. Ja, es war gut, ihn heute bei sich zu haben.
    Dann erblickte Bolitho den Midshipman: ein flüchtiger Eindruck von einem blassen, feingeschnittenen Gesicht und einem mageren, schlaksigen Körper, der anscheinend nicht stillhalten konnte.
    Merkwürdig, dachte er, daß ich den Jungen nie an Bord gesehen habe, obwohl es auf einer Fregatte so eng ist.
    Leach schien seine Gedanken erraten zu haben. »Er ist fast die ganze Reise seekrank gewesen«, sagte er wegwerfend. Freundlich fragte Bolitho: »Wie heißen Sie, mein Junge?«
    »S… S… Seton, Sir«, stotterte der Midshipman, wurde rot und schwieg.
    Gefühllos sagte Leach: »Er stottert auch noch. Heutzutage müssen wir anscheinend alles nehmen.«
    Bolitho verbarg sein Lächeln. »Gewiß.« Dann fuhr er fort: »Schön, Mr. Seton, gehen Sie bitte zuerst ins Boot.« Er sah, wie der Junge versuchte, diese neue

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