Namibische Nächte (German Edition)
hören.
»Heute ist mein letzter Tag«, antwortete sie Herrn Peters mit einem etwas entnervten Gesichtsausdruck, den er aber glücklicherweise nicht sah. »Ab morgen bin ich in Urlaub.« Sie hörte kurz zu. »Zwei Wochen«, antwortete sie dann. »Kann es nicht so lange warten?«
Während ein Wasserfall von Worten aus dem Telefon auf sie einstürzte, schaute sie sich im Büro um. Auf dem Tisch, den sie als Schreibtisch benutzte, aber auch als Abstellfläche für alles Mögliche andere, stapelten sich Ausdrucke, abgelegte und nicht abgelegte Notizen, eine sonderbare Ansammlung von Firmenberichten gemischt mit Büchern – ein Stapel, der offensichtlich stets in Gefahr war umzukippen – und etlichen Kaffeetassen und -tellern. Auf größere Teller verzichtete sie mittlerweile generell, sie konnte sie nicht mehr auf ihrem Schreibtisch unterbringen.
»Ich weiß nicht, ob ich das heute noch schaffe«, warf sie ein, als Herr Peters eine Pause machte und ihr Gelegenheit dazu gab. Doch für ihn war das kein Argument. »Ist gut.« Sie versuchte, ein Seufzen zu unterdrücken. »Ich werde es fertig machen. Sie haben es morgen in der Post.«
Als sie auflegte, blickte sie erneut aufs Handy. Der Anrufer hatte aufgegeben.
Der Drucker blinkte. Sie erinnerte sich dunkel, dass sie einen Druckauftrag losgeschickt hatte, bevor sie das Telefon abnahm. Warum war das nicht längst herausgekommen?
Sie beugte sich über die blinkende Anzeige. Auch das noch! Der Drucker weigerte sich zu drucken, weil er keine Farbe mehr hatte. »Kannst du nicht ohne Farbe drucken?«, knurrte sie ihn an. »Und da nennt man uns Frauen zickig.«
Der Drucker äußerte sich nicht dazu, sondern blinkte fordernd weiter.
»Mist!« Vanessa fluchte und fuhr sich durch die Haare. Sie hatte keinen Ersatz für die Druckerpatrone, sie musste losgehen und eine kaufen. Aber es half nichts. Wenn sie den Auftrag von Herrn Peters und einiges andere heute noch erledigen wollte, musste sie ihr Büro verlassen. Sie verlor noch mehr Zeit, obwohl sie bereits zu wenig davon hatte.
In diesem Moment klingelte ihr Handy erneut. »Ja?« Ihr Gesichtsausdruck wurde abweisend. »Ich fliege heute«, antwortete sie auf eine Frage, die sie offensichtlich nicht glücklich gemacht hatte. »Das weißt du doch.« . . . »Um zweiundzwanzig Uhr zehn.« . . . »Nein, ich habe keine Zeit. Ich gehe hier in Arbeit unter. Das muss alles noch gemacht sein, bevor ich zum Flugplatz –« Der Anrufer ließ sich jedoch genauso wenig abwimmeln wie Herr Peters zuvor. »Ich habe es dir gesagt.« Vanessas Mundwinkel senkten sich. »Schon vor Wochen.« Sie starrte eine Weile in die Luft, während sie zuhörte. »Dafür kann ich wirklich nichts«, sagte sie dann. »Es tut mir leid, ich muss jetzt eine Druckerpatrone kaufen.« Sie legte auf.
Tief atmete sie durch, während sie in dem Gewimmel auf dem Tisch ihr Portemonnaie suchte. Keine Zeit, keine Zeit, keine Zeit. Das war alles, was in ihrem Kopf pochte. Wie sollte sie das nur schaffen? Es war unmöglich, einfach unmöglich. Diese Hektik, dieser Stress.
Sie wollte dem allen nur noch entfliehen.
3
S tunden später saß Vanessa im Abflugbereich auf dem Flughafen. Sie hatte es gerade noch so geschafft einzuchecken, bevor der Schalter schloss.
Seufzend nahm sie ihren Laptop aus dem Handgepäckrucksack und öffnete ihn. Nun hatte sie wieder etwas Zeit. Sie konnte die Sachen per E-Mail verschicken. Hier auf dem Flugplatz war das überhaupt kein Problem mit den ganzen WiFi-Hotspots. Ihr Arbeitstag war noch immer nicht zu Ende.
Ob es dort im Busch auch Internet gab? Sie runzelte die Stirn. Vielleicht konnte sie ein paar Kunden dann noch von dort aus –
Wolltest du nicht Urlaub machen? Wenigstens für zwei Wochen? Nur zwei Wochen?
Sie wusste, dass ihre innere Stimme Recht hatte. Sie hatte sich so auf den Urlaub gefreut, gearbeitet wie eine Verrückte, um sich diesen Urlaub leisten zu können, um alle Kunden vorher noch zufrieden zu stellen, und nun dachte sie darüber nach, auch dort nur in den Computer zu starren, E-Mails zu schreiben, Entwürfe zu verschicken?
Nein. Sie klappte den Computer zu. Dann allerdings öffnete sie ihn wieder. Sie war noch nicht im Urlaub, sie war noch in Deutschland, und das hieß, dass sie noch einiges erledigen konnte. Als Grafikdesignerin mit einer eigenen kleinen Firma, in der sie selbst die einzige Arbeitskraft war, konnte sie es sich nicht leisten, Kunden zu verlieren.
»Gibt’s da was Interessantes zu sehen?« Ein
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