Nana - der Tod traegt Pink
Außenstehenden möglicherweise als etwas pur und profan Äußerliches und dem
Ernst der Situation unangemessen?
Frohes Fest
Auch Nana beschritt ihren Weg dorthin nicht geradlinig. In den ersten Monaten in der Klinik, in denen sich Ängste und Hoffnungen die Klinke in die Hand gaben, hatte »sich schön zu machen« für Nana keinerlei Raum. Geschweige denn die Fotografie. Ändern sollte sich das im Frühjahr 2011 radikal.
Und den ersten zarten Anfang, so erzählt Nanas Mutter Barbara, nahm alles am Weihnachtsfest 2010.
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Heiligabend 2010 bei den Stäckers. Nana mit Perücke und Antibiotikuminfusion aus Großhadern – und ihrer Puppe »Lefdutti« aus Teenagertagen.
Von jeher haben Fotos in unserem Familienleben einen festen Platz. Wichtige Erlebnisse, Feiern und Urlaube werden immer festgehalten. Inzwischen, wie das sicher bei vielen Familien der Fall ist, existieren unzählige Fotobücher mit wunderschönen Erinnerungen. In diesem Jahr aber sollte alles anders sein. Seit Beginn der Krankheit im Herbst hatte ich keine Bilder mehr gemacht. Nicht nur, dass Nana das Fotografieren im Krankenhaus kategorisch untersagte, sie wollte es auch zu Hause nicht. Doch als sie da an Heiligabend bei uns daheim auf dem Sofa lag, verspürte ich das dringende Bedürfnis, diesen Moment festzuhalten. Wir hatten so hart für ihre Entlassung über die Feiertage gekämpft! Kurz vorher war sie noch mit hohem Fieber in die Klinik eingeliefert worden, daher wollten die Ärzte sie keinesfalls nach Hause gehen lassen. Aber für Nana war es schlicht unvorstellbar, das ihr so wichtige Weihnachtsfest auf der onkologischen Station zu verbringen. So konnten wir sie – mit der ärztlichen Unterstützung durch Dr. Silke und Dr. Christoph Seitz im Rücken – gegen den Willen der behandelnden Ärzte in Großhadern am 23. Dezember 2010 nach Hause holen. Unser Wohnraum verwandelte sich in ein Krankenzimmer: Die Stehlampe wurde zum Infusionsständer umfunktioniert auf dem Tisch standen Desinfektionsmittel und Nierenschale immer griffbereit.
Nana mit ihrem schmalen Gesicht – sie hatte in den vergangenen drei Monaten deutlich an Gewicht verloren – war auf bunte Kissen gebettet. Sie trug das erste Mal ihre neue Perücke. Dunkelhaarig, so wie früher. Ein teures, von der Krankenkasse bezahltes Modell, ausgesucht im Friseurgeschäft des Klinikums Großhadern. Extra für Heiligabend hatte sie sich mit einem schwarzen Rock und passendem Oberteil mal wieder richtig gestylt und sorgfältig geschminkt. Jetzt durfte ich das erste Foto machen, auf dem sie skeptisch-unsicher in die Kamera blickt und zu fragen scheint: Bin ich das? Mama? Wirklich?«
Das schönste Weihnachtsgeschenk des Abends bekommt Nana von ihrem Freund Chris: ein schwarzer Brokatmantel, aufwendig gearbeitet, am Rücken geschnürt, auf der Vorderseite mit silbernen Knöpfen verziert. Nana liebt dieses Kleidungsstück vom ersten Augenblick an. Sie wird es u. a. zum allerletzten Fotoshooting mit ihrer Mutter im Schleißheimer Schlosspark anziehen. In diesen »Königsmantel« wird Nana schließlich sogar für die letzte Reise in ihrem Sarg gehüllt.
Es entstehen nur wenige Bilder an diesem Weihnachtsabend: Nana vorsichtig lächelnd auf dem Sofa. Nana stolz in ihrem neuen Mantel. Für Barbara sind sie unendlich wertvolle Dokumente:
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Königliche Nana in ihrem geliebten Mantel beim letzten Fotoshooting mit Barbara, 13.12.2011.
An Heiligabend 2010 gingen Nana und ich einen ersten Schritt in unsere gestalterische Zukunft. Nach drei Monaten, in denen sich Nana ausschließlich als kranken und wenig attraktiven Menschen wahrnahm, sah sie jetzt auf dem Foto eine zwar schlanke, aber hübsche junge Frau.«
Damit nicht genug: Nana ist bereit für mehr – viel mehr.
Bis Nana und Barbara weitere Fotos machen, werden allerdings zunächst mehrere Wochen vergehen. Denn Nana absolviert in dieser Zeit drei Chemozyklen, die sie sehr schwächen. Diese nach den Anfangsbuchstaben ihrer Wirkstoffe benannte »VIDE«-Therapie, die speziell bei Ewing-Sarkom-Patienten eingesetzt wird, ist äußerst anstrengend und nebenwirkungsreich.
Als dann im März 2011 eine neue Chemotherapie zum Einsatz kommt, die Nana nicht mehr derart schlimm belastet, steigt bei ihr die Bereitschaft, weitere Fotos zu machen. Nana entdeckt im Internet eine günstige Perücke aus dem Faschingsbedarf. Sie ist farblich zweigeteilt: oben rot, nach unten hin schwarz gesträhnt. Nachdem sie das verrückte Haarteil
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