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Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis

Titel: Gwydion 04 - Merlins Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schwindt
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    Die Heimkehr des Königs
     
     
     
    Ein dichter Nebel hatte sich wie ein Leichentuch über alles Lebendige gelegt. Gwyn schaute an sich hinab, betrachtete seine leeren, blutbesudelten Hände. Sein Atem ging keuchend, die kalte Luft brannte in seinen vor Anstrengung schmerzenden Lungen. Vor ihm verschmolz mit dem feuchten Dunst ein grauer Schatten, aus welchem ein Mast zu ragen schien, dem die Fahne abhandengekommen war. Vorsichtig setzte Gwyn einen Fuß vor den anderen. Unter seinen Stiefeln knirschte Sand auf steinigem Grund. Das scharrende Geräusch wurde durch seine geschärften Sinne schmerzhaft verstärkt, als könnte er jedes Korn, jeden noch so kleinen Stein einzeln wahrnehmen.
    Plötzlich kam eine leichte Brise auf und für einen kurzen Augenblick glaubte er einen Drachen zu sehen, der, durchbohrt von einer Lanze, in einer riesigen Lache dampfenden Blutes lag. Doch das Trugbild verschwand, als Gwyn sich den Schweiß aus den Augen wischte und näher trat. Vor ihm lagen, niedergestreckt von ein und derselben Waffe, Artur und Mordred, Vater und Sohn, eng umschlungen im Tode vereint. Und er, Gwydion Desert, König von Dinas Emrys und Letzter der Gralshüter, hatte sie getötet.
    Während um ihn herum die Welt in Chaos und Finsternis versank, beugte er sich hinab zu jenem Schwert, das mehr als jede Krone der Inbegriff der britannischen Königswürde war. Es war eine schlichte Waffe. Kein Edelstein verzierte den Griff, einzig der kalte blaue Schein der makellosen Klinge enthüllte ihre Einzigartigkeit. Es schien, als wohnte dem Schwert ein eifersüchtiger Geist inne, der den Träger der Waffe zu schützen vermochte, jedoch dafür absoluten Gehorsam verlangte und jeden Verrat unerbittlich bestrafte.
    Als Gwyn Excalibur aufhob, war er überrascht, wie leicht und sicher es in seiner Hand lag.
    „Es ist ein Pakt fürs Leben“, flüsterte eine Stimme in sein Ohr. „Gehe ihn ein und du wirst viel mächtiger als alle Herrscher sein, die jemals die Regentschaft über diese Insel angetreten haben. Doch wehe, du verrätst Excalibur und leugnest seine Macht über dich, dann wird sich diese Waffe gegen dich richten.“
    Gwyn drehte sich um. Seine Hände waren kalt, als er dem alten Mann in die dunklen Augen schaute, die ihn kühl wie die Augen eines Raubvogels musterten.
    „Ich werde meine Seele nicht verkaufen“, flüsterte Gwyn. Er wollte Excalibur fallen lassen, doch das Blut am Schwert war nun geronnen und seine Finger klebten fest, als wären sie mit dem Griff verwachsen. Voller Wut packte er Merlin beim Mantel.
    „Ich werde meine Seele nicht verkaufen!“, schrie er ihn an.
    Anstatt Gwyn zu antworten, hob Merlin nur die Hand. Ein Wind kam auf und trieb den dichten Nebel davon. Gwyn war von einem gewaltigen Heer umzingelt. Die Armee des Feindes schien bis an den Horizont zu reichen. Sein Herz gefror und ein Schrei der Mutlosigkeit verließ seine Kehle, als er mit jeder Faser seines geschundenen Körpers spürte, dass das Blutvergießen gerade erst begonnen hatte.
    „Gwyn? Gwyn, wach auf!“ Er spürte, wie eine Hand sanft an seiner Schulter rüttelte. Gwyn zuckte zusammen und öffnete die Augen. Katlyn hatte sich über ihn gebeugt und betrachtete ihn mit sorgenvoller Miene.
    „Was ist geschehen?“, fragte er verwirrt, denn für einen Moment wusste er nicht, wo er war.
    „Du hast wieder geträumt“, flüsterte sie.
    Gwyn richtete sich steif auf. Die Kälte der Nacht saß ihm noch in den Knochen und ließ ihn zittern. Über ihm rauschte das Blätterdach einer Eiche, unter der sie am Abend zuvor ihr Lager aufgeschlagen hatten. Im Osten war der morgendliche Himmel ein goldenes Meer. Erschöpft vergrub Gwyn das Gesicht in den Händen und rieb sich müde die Augen. Cecil, der für die Morgenstunden die Wache übernehmen sollte, lehnte mit geschlossenen Augen am Stamm des Baumes und schnarchte ebenso selig wie Lancelot, Rowan und Orlando, die sich zusammen mit Sir Tristan und Sir Degore bei den Pferden in ihre Wolldecken gehüllt hatten.
    „Gwyn, ich mache mir allmählich Sorgen um dich! Je mehr wir uns Dinas Emrys nähern, desto unruhiger werden deine Nächte!“, sagte Katlyn.
    Gwyn stöhnte und ließ sich wieder auf sein Lager sinken, wobei er einen Arm über seine Augen legte. In der Tat hatte er schon kurz nach der Flucht von Camelot zum ersten Mal diesen Albtraum gehabt, der in den folgenden Nächten immer wiederkehren sollte und dabei eine Eindringlichkeit gewann, die von erschreckender Realität war.

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