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Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen

Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen

Titel: Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Cohn
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nackten Füße hinunter und beschloss, meine Schuhe auch auszuziehen. Als ich es tat, sagte er: »Der Damm bricht.«
    Und ich antwortete: »Nein - das ist nur der erste Stein. Der erste Stein im Brett.«
    Er schaute mich an, und es fühlte sich so an, als würde er mich das erste Mal richtig wahrnehmen.
    »Ich mag dich«, sagte er.
    »Bemüh dich bitte etwas, nicht ganz so überrascht zu klingen«, gab ich darauf zurück.
    Er drehte seinen Kopf so weit, dass er mich verkehrt herum anschaute. Ich dachte: Er sieht sogar verkehrt herum gut aus. Während ich mich noch nicht mal richtig herum attraktiv fühlte.
    »Es spielt keine Rolle, ob ich davon überrascht bin oder nicht«, erklärte er. »Entscheidend ist, dass ich dich mag.«
    Wir hörten, wie draußen auf dem Flur der Aufzug anhielt. Ely sprang hoch, schlich auf Zehenspitzen zur Tür und spähte durch den Spion hinaus. Ich zog meinen zweiten Schuh aus.
    »Nur Mr McAllister«, sagte er. »Keine Sorge.«
    Ich verstand sofort, was er meinte. Denn ich muss gestehen: Ich wollte nicht, dass es Naomi war. Ich wollte, dass es noch eine Weile lang so blieb. Ich fühlte mich nicht nur in Elys Gesellschaft wohl, ich fühlte mich auch mit mir selbst wohl.
    »Lass uns Musik hören«, sagte Ely.
    Ich sagte: »Na klar, nichts dagegen«, und glaubte, er würde die Stereoanlage im Wohnzimmer anmachen. Stattdessen führte er mich in sein Zimmer, das mit fotokopierten Gedichten tapeziert war und mit Fotos seiner Freunde, Naomi vor allem. Er suchte in seinen Dateien nach dem Album, das er mir vorspielen wollte, klickte dann auf Play Ich erkannte die Musik sofort - Tori Amos, »From the Choirgirl Hotel«. Sie schien nicht aus den Lautsprechern, sondern von überall und nirgendwo zu kommen, während sie durch den Raum strömte. Ich dachte, Ely würde sich in einen Sessel fallen lassen oder sich aufs Bett werfen, aber er legte sich auf das harte Parkett und schaute zur Decke hoch, als wäre sie der Himmel. Er sagte nicht, dass ich mich neben ihn legen sollte, aber ich machte es einfach, spürte den Boden unter meinem Rücken, spürte meinen eigenen Atem, fühlte mich... glücklich.
    Ein Song folgte auf den nächsten. Irgendwann fiel mir ein, dass ich mein Handy in der Jacke gelassen hatte, sodass ich nicht hören würde, wenn es klingelte. Ich ließ es, wo es war.
    In unserem gemeinsamen Schweigen lag etwas, ich weiß nicht genau, was, jedenfalls fühlte ich mich sehr wohl. Ely redete nicht mit mir, aber ich spürte, dass da eine Nähe zwischen ihm und mir war. Wir teilten beide diesen Augenblick. Und was ihn ausmachte, brauchte nicht genauer definiert zu werden.
    Schließlich fragte ich: »Hältst du mich für einen Langweiler?«
    Er drehte seinen Kopf zu mir, aber ich schaute weiter nach oben.
    »Warum fragst du das?«
    »Ich weiß nicht«, murmelte ich, ein wenig verlegen, dass ich überhaupt etwas gesagt hatte.
    Ich dachte, er würde den Kopf jetzt wieder zur Decke drehen und weiter Musik hören. Stattdessen schaute er mich fast eine Minute lang an. Schließlich drehte ich mich zur Seite, sodass ich ihn auch anschauen konnte.
    »Nein«, sagte er dann. »Ich halte dich nicht für einen Langweiler. Ich glaube, dass du dir oft nicht erlaubst, interessant zu sein...«
    Wie kommt es nur, dass man selbst jeden Tag Stunden damit verbringen kann, anhand von allen möglichen kleinen Dingen herauszufinden, wer man eigentlich ist, und dann kommt jemand daher, den man kaum kennt, und sagt einem einen Satz über sich selbst, wie man ihn nie zustande gebracht hätte?
    Wir lagen nebeneinander und schauten uns an. Wir mussten beide lächeln.
    Dann ertappte ich mich dabei, wie ich aus heiterem Himmel - dem tiefblauen heiteren Himmel in mir - zu ihm sagte: »Ich mag dich auch. Wirklich. Ich mag dich.«
    Es ist sehr intim, wenn man die Wahrheit laut ausspricht. Es ist sehr intim, wenn der andere die Wahrheit laut ausgesprochen hört. Es ist sehr intim, wenn man die Wahrheit miteinander teilt, einander mit-teilt, selbst wenn man noch nicht genau weiß, was diese Wahrheit eigentlich genau bedeutet.
    Und in diesem Augenblick beugte er sich vor und küsste mich ein einziges Mal auf die Lippen, kurz und leicht. Als hätte er auf meinem Gesicht genau abgelesen, was ich brauchte.
    Der Zauber war gebrochen. Nicht dass ich nicht mehr glücklich gewesen wäre. Ich war immer noch glücklich, unerklärlich, unfassbar glücklich. Doch plötzlich hatte dieses Glück eine Bedeutung - und Folgen.
    Auch das musste auf

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