Clovis Dardentor
Erstes Capitel.
In dem die Hauptperson dieser Geschichte dem Leser nicht vorgestellt wird.
Als Beide den Bahnhof von Cette – nach Ankunft mit einem Zuge Paris-Mittelländisches Meer – verließen, wendete sich Marcel Lornans an Jean Taconnat mit den Worten:
»Was beginnen wir nun hier bis zur Abfahrt des Dampfers?
– Nichts, antwortete Jean Taconnat.
– Wenn man sich aber auf den »Reiseführer« verlassen kann, ist Cette eine merkwürdige Stadt, zwar nicht von hohem Alter, denn sie wurde erst nach Erbauung ihres Hafens, des Auslaufs vom Canal von Languedoc, den man Ludwig XIV. verdankt, gegründet…
– Und das war vielleicht das Allerklügste, was Ludwig XIV. während seiner ganzen Regierungszeit gethan hat! fiel Jean Taconnat ein. Der Große König hat jedenfalls geahnt, daß wir uns hier am 27. April 1885 einschiffen würden.
– Sei doch einmal ernsthaft, Jean, und vergiß nicht, daß Südfrankreich uns hören kann! Mir erscheint es am gerathensten, Cette zu besuchen, da wir einmal in Cette sind, seine Canäle, seine Bucht mit den zwölf Kilometer messenden Hafendämmen, seine vom klaren Wasser eines Aquäducts berieselte Promenade zu besichtigen…
– Bist Du nun fertig, Marcel, mir nach Joanne zu recitieren?…
– Eine Stadt, fuhr Marcel Lornans unbeirrt fort, aus der ein Venedig hätte werden können…
– Und die sich damit begnügte, ein kleines Marseille zu bleiben! bemerkte Jean Taconnat.
– Wie Du sagst, mein lieber Jean, die Nebenbuhlerin der stolzen provençalischen Stadt und nach dieser der erste Freihafen am Mittelmeere, der Wein, Salz, Branntwein, Oele, chemische Erzeugnisse ausführt…
– Und der, versetzte Jean Taconnat, den Kopf abwendend, Schwätzer von Deinem Schlage dafür einführt!
– Doch auch Häute, La Plata-Wolle, Mehl, Südfrüchte, Stockfische, Böttcherholz, Metalle…
– Genug… genug! rief der junge Mann, den es drängte, sich dem Schwalle von Belehrungen, der über seines Freundes Lippen strömte, zu entziehen.
– Zweihundertdreiundsiebzigtausend Tonnen im Eingang und zweihundert fünfunddreißigtausend im Ausgang, fuhr der herzlose Marcel Lornans fort, noch zu schweigen von den Anstalten zum Einmachen von Anchovis und Sardinen, von den Salzwerken, die jährlich zwölf-bis vierzehntausend Tonnen liefern, von der so bedeutenden Küferei mit zweitausend Arbeitern, die zweimalhunderttausend Fässer herstellen…
– Worin ich Dich zweihunderttausendmal eingeschlossen wünschte, mein redseliger Freund! Doch, die Hand aufs Herz, Marcel, was kann die hochentwickelte Gewerbs-und Handelsthätigkeit zwei tüchtige junge Leute interessieren, die sich mit der Absicht, beim 7. Regiment der Afrikanischen Jäger einzutreten, nach Oran begeben wollen?
– Auf der Reise ist alles interessant, selbst das Uninteressante, versicherte Marcel Lornans.
– Giebt’s denn in Cette genug Baumwolle, um sich damit die Ohren zustopfen zu können?
– Unterwegs werden wir danach fragen.
– Der »Argeles« fährt in zwei Stunden ab, und meiner Ansicht nach ist es das beste, sofort an Bord des Dampfers zu gehen!« bemerkte Jean Taconnat.
Vielleicht hatte er damit nicht unrecht. Was wäre – und vorzüglich mit welchem Nutzen – in zwei Stunden von der sich täglich vergrößernden Stadt zu sehen gewesen? Die jungen Leute hätten sich nach dem Strandsee Thau neben die Mündung des Canals begeben müssen, von der aus jener anfängt, oder sie mußten den zwischen Strandsee und Meer vereinzelt aufragenden Kalksteinberg besteigen, den »Pfeiler von Saint-Clair«, dessen Seiten sich die Stadt amphitheatralisch anschmiegt und der in nächster Zukunft mit Fichtenanpflanzungen geschmückt sein wird. Gewiß lohnen sich dem Touristen einige Tage Aufenthalt an dem Hauptseehandelsplatze des südwestlichen Frankreich, der mit dem Meere durch den Canal du Midi, mit dem Landesinnern durch den Canal von Beaucaire in Verbindung steht und den zwei Bahnlinien, die eine über Bordeaux, die andre mitten durchs Land, mit dem Herzen Frankreichs verknüpfen.
Marcel Lornans bestand jedoch nicht länger auf seinen Vorschlägen und folgte gelehrig Jean Taconnat, der dem Dienstmann mit dem Gepäckkarren vorausschritt.
Das alte Bassin wurde nach kurzem Wege erreicht.
Die Reisenden vom Zuge, die dasselbe Ziel wie die beiden jungen Leute hatten, waren hier schon versammelt.
Eine Menge Neugieriger, wie solche ein in der Abfahrt begriffenes Schiff immer heranlockt, stand auf dem Kai, und es wäre wohl
Weitere Kostenlose Bücher