Narkosemord
er, daß es nicht ganz so dunkel war, wie er geglaubt hatte. Die Lichter der nahen Stadt schimmerten hier und da auf dem feuchten Gras wider. Die Silhouetten der Grabsteine erinnerten auf unheimliche Weise daran, daß dies die Stätte der Toten war.
Ein dunkler Wagen parkte vor ihm auf dem Weg. Jeffrey blieb stehen und schaute hinein, ob der Zündschlüssel steckte, aber er sah keinen. Als er zurück zu dem Lichtschein über Henry Nobles Gruft blickte, konnte er Frank Ferannos füllige Gestalt ausmachen, die in seine Richtung gehastet kam. Vinnie war dortgeblieben und hielt die anderen in Schach.
Jeffrey rannte weiter. Er erinnerte sich nur zu gut, daß Ferannos Leibesfülle täuschte; der Mann war überraschend flink auf den Beinen. Jeffrey war sich nicht unbedingt sicher, ob er ihm so ohne weiteres davonspurten konnte. Er mußte sich irgend etwas einfallen lassen. Konnte er es zum Stadtzentrum schaffen? An einem Samstagabend würden doch bestimmt ein paar Leute in Edgartown unterwegs sein, auch wenn die Touristensaison noch nicht begonnen hatte.
Im selben Moment vernahm er hinter sich das Krachen eines Schusses. Feranno hatte auf ihn gefeuert. Jeffrey hörte eine Kugel an seinem Kopf vorbeipfeifen. Er schlug einen Haken und verließ den Weg.
Tief geduckt hastete er in Schlangenlinie zwischen den Grabsteinen hindurch. Er wollte sich nicht abknallen lassen wie ein Hase. Er hatte das erschreckende Gefühl, daß Feranno nicht mehr um jeden Preis darauf aus war, ihn lebend zu kriegen. Zwischen den Gräbern war der Untergrund nicht so sicher wie auf dem Weg, und er mußte höllisch aufpassen, daß er nicht ausrutschte oder auf einer der steinernen Grabeinfassungen mit dem Fuß umknickte. Trotz seiner Vorsicht stolperte er an einer Stelle und geriet ins Taumeln.
Er schaffte es gerade noch, auf den Beinen zu bleiben, indem er sich geistesgegenwärtig an einen Granitobelisken klammerte. Der Obelisk wackelte bedenklich auf seinem Sockel und drohte umzukippen. In dem Moment schoß Feranno erneut auf ihn.
Die Kugel schlug unmittelbar unter Jeffreys Arm in den Obelisken ein. Jeffrey wich entsetzt einen Schritt zurück. Als er in die Richtung schaute, aus der der Schuß gekommen war, sah er Feranno heranstürmen. Er gewann an Boden!
Jeffrey rannte weiter. Er keuchte vor Anstrengung und fühlte ein heftiges Stechen in der Seite. In seiner Panik hatte er die Orientierung verloren. Er wußte nicht, in welcher Richtung er sich halten sollte. Er war nicht sicher, ob er noch auf die Stadt zulief.
Aus dem Augenwinkel sah Jeffrey die Silhouetten einer Gruppe von einstöckigen Gebäuden. Er entschied sich, dort hinzurennen. Er schwenkte nach links und stolperte auf einen der zahlreichen Kieswege, die den Friedhof durchzogen. Einen Moment später erreichte er die Reihe der Gebäude und rannte geduckt in den schmalen Durchgang zwischen den ersten beiden. Er lief an der Rückseite der Gebäude entlang und rannte dann wieder zum Kiesweg. Er blieb stehen und spähte um die Ecke des letzten Gebäudes.
Feranno war keine zwanzig Meter von ihm entfernt. Er zögerte einen Moment, dann begann er sich in Jeffreys Richtung zu bewegen. Jeffrey wollte gerade kehrtmachen und zurücklaufen, als Feranno plötzlich zwischen zwei der Gebäude und aus Jeffreys Blickfeld verschwand.
Jeffrey überlegte fieberhaft, was er tun sollte. Eine falsche Bewegung, und er würde Feranno auf Gnade und Ungnade ausgeliefert sein. Wenn er an den Gesichtsausdruck dachte, mit dem Feranno ihn angeschaut hatte, nachdem er ihm den Beutel mit Henry Nobles verwesenden Organen über den Kopf gehauen hatte, hatte er keine große Hoffnung, daß Feranno Erbarmen mit ihm haben würde.
Direkt gegenüber der Stelle, an der Jeffrey sich befand, stand ein marmornes Gebäude, das älter aussah als die übrigen. Selbst in der Dunkelheit konnte Jeffrey erkennen, daß seine Eisentür einen Spaltbreit offenstand.
Nachdem er sich mit einem raschen Blick noch einmal vergewissert hatte, daß Feranno sich nicht auf dem Kiesweg befand, stürmte Jeffrey auf die Tür zu. Er stieß sie gerade so weit auf, daß er hineinschlüpfen konnte. Er versuchte sie hinter sich zu schließen, doch als er gegen sie drückte, schrammte sie über den Boden. Jeffrey ließ sie sofort los. Er durfte nicht riskieren, Feranno auf sich aufmerksam zu machen. Die Tür war immer noch einen Spalt offen, etwas weniger, als sie es vorher gewesen war.
Jeffrey wandte sich um und inspizierte das Innere seiner engen
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