0797 - Tränenjäger
Die hübsche junge Frau in ihrer Märchenuniform lächelte Artimus van Zant freundlich zu.
Trotz all ihrer Liebenswürdigkeit, die nun einmal zu ihrem Job gehörte, konnte sie einen Anflug von Verzweiflung nicht verbergen. Der große Mann vor ihr verstand nicht eine einzige Silbe der finnischen Sprache. Ihr war klar, dass er eine ganz bestimmte Information von ihr erhoffte, doch ihr bruchstückhaftes Englisch versagte in diesem Fall vollends.
Es war ja nun auch wahrlich kein lupenreines Englisch, das aus dem Mund des beleibten Mannes kam! Die junge Frau konnte den Slang nicht einordnen, doch sie vermutete, dass er im tiefsten Süden der USA seinen Ursprung hatte.
Wie auch immer - sie konnte dem freundlich lächelnden Menschen nicht helfen. Doch das war ja auch nicht ihre Aufgabe. Sie sollte Zeitungen, Zeitschriften, Süßigkeiten und lauwarme Limonade an die Touristen bringen, die durch Helsinki streiften.
Entmutigt drückte sie dem massigen Amerikaner eine Zeitung in die Hand, ohne dafür eine Bezahlung zu erwarten. Das war Service, auf den ihr Chef großen Wert legte.
Artimus van Zant warf einen fragenden Blick auf die Heisingin Sanomat, die größte Tageszeitung Finnlands, und wandte sich kopfschüttelnd von der Verkäuferin ab. Diese verrückte Sprache würde er sicher in seinem kompletten Leben nicht erlernen können. Er war froh, das auch nicht zu müssen. Er hoffte, dass sein Aufenthalt in diesem Land nicht zu lang währen musste.
Der ganze reichlich verrückte Trip basierte im Grunde nur auf einer Hoffnung, einer Ahnung, in die sich Artimus regelrecht verrannt hatte.
Als er seinem Chef Robert Tendyke davon erzählte, konnte dieser nur wenig Hoffnung für den Erfolg von van Zants Idee erkennen. Aber Tendyke kannte seine Leute gut, und Artimus van Zant gehörte zu den Spitzenangestellten von Tendyke Industries. Deshalb hatte er ihn gewähren lassen.
Alles hatte im Grunde damit begonnen, dass Tendyke seinen besten Physiker und begnadetsten Tüftler nach Rom beorderte. Es ging um die Kontaktaufnahme zu einer weltweit anerkannten Biologin, die Tendyke Industries ihre Dienste angeboten hatte.
Van Zant hatte nicht schlecht gestaunt, als er der jungen Frau dann gegenüberstand.
Khira Stolt war dreiunddreißig Jahre alt und maß von den Fußsohlen bis zu den wirren Haaren auf ihrem Kopf gerade einmal 133,5 Zentimeter. Und besonders auf die Komma Fünf legte sie großen Wert, denn unter kleinwüchsigen Menschen zählte wirklich jeder Millimeter. Das Selbstbewusstsein der Finnin hingegen reichte für einen Riesen aus.
Das war der Grund, warum der Südstaatler sie spontan Riesenzwerg getauft hatte.
Diese Frau imponierte ihm mächtig -und nach ganz kurzer Zeit war er sich im Klaren, dass da noch mehr im Spiel war. Artimus van Zant glaubte in Khira die Frau zu erkennen, die ihm seit dem Tod seiner Ex-Ehefrau Julie Skinner so sehr in seinem Leben gefehlt hatte.
Seit den Tagen, in denen Artimus bei Tendyke Industries im Projekt Spinnennetz gearbeitet hatte, war ihm nichts mehr fremd, das sein Weltbild früher völlig aus den Angeln gehoben hätte. Die DYNASTIE DER EWIGEN, die Spider - Raumschiffe der längst ausgestorbenen Rasse der Meeghs Reisen ins Weltall, Teufel und Dämonen. Er hatte gelernt, das alles als Tatsachen zu akzeptieren.
Dass Khira Stolt jedoch ebenfalls in diesen Kokon aus unfassbaren Verwicklungen verstrickt war, schockte van Zant nachhaltig. In den Katakomben tief unter den Straßen Roms war es zu der Konfrontation mit Sarkana gekommen, dem Vampirdämon, der sich zum Herrn über alle Vampire aufgeschwungen hatte. [1]
Der Kampf zwischen dem Silbermonddruiden Gryf ap Llandrysgryf, Professor Zamorra und Nicole Duval auf der einen sowie dem uralten Dämon auf der anderen Seite war an Härte und Kompromisslosigkeit kaum zu überbieten gewesen.
Doch erst als Khira Stolt dem Vampir gegenübergestanden hatte, hatte dieser nachgeben müssen. Ein unerklärliches Band aus Vertrautheit, Angst und tiefem Hass war zwischen den beiden so unterschiedlichen Wesen gespannt. Und den blutenden Augen Khiras hatte sich der Dämon schließlich beugen müssen.
Blut - der Saft, nach dem alle Vampire lechzten. Ausgerechnet davor hatte Sarkana die Flucht ergreifen müssen.
Ein einziger Moment der Unaufmerksamkeit hatte den greifbar nahen Sieg in eine bittere Niederlage verwandelt. Der von Sarkana bereits zum Tod verurteilte Vampir Jaime deZamorra war auf die Seite seines Henkers gewechselt und hatte van Zant und
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