Narr
verkneifen. »Wenn ich mir allerdings die Schlagersänger und Promis anschaue, die ihre Orden bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit zur Schau stellen, dann denke ich, dass der Platz an Eddys breiter Brust dem Schmuckstück nur zur Ehre gereichen würde.«
Der Bundespräsident blickte auf und nickte lächelnd. »So gesehen haben Sie vielleicht recht, Herr Wagner.«
Der Reporter sah Ebner in die Augen. »Verzeihen Sie, wenn ich Sie ganz offen frage, aber was geschieht jetzt?«
»Was meinen Sie konkret, Herr Wagner?« Er machte eine unverbindliche Miene, so, als hätte er Pauls Frage nicht verstanden.
»Jetzt müssen doch erst einmal die Sümpfe und sauren Wiesen in diesem Land trockengelegt werden, bevor an Ehrungen und Festivitäten zu denken ist, oder sehen Sie das nicht so?« Wagner sah den Präsidenten auffordernd an. »Die Verschwörer müssen restlos ausgeforscht und zur Verantwortung gezogen werden!«
»Herr Wagner …«, seufzte Ebner, »die Erfahrungen der letzten Tage haben uns drastisch vor Augen geführt, dass sich die österreichische Bevölkerung nur eines wünscht. Nämlich eine stabile, beschlussfähige Bundesregierung, die ihre Arbeit im Nationalrat so rasch wie möglich wieder aufnimmt.«
Der Bundespräsident betrachtete Paul wie ein fürsorglicher Lehrer, der einem Schüler eine komplizierte Rechenaufgabe erklärte. »Dieser Verantwortung im Auftrag des Volkes müssen wir uns jetzt, in dieser schweren Stunde, ohne Wenn und Aber stellen. Das Letzte, das wir in dieser Situation brauchen, wären fortdauernde Streitereien, eine Hexenjagd oder, im schlimmsten Fall, eine Nacht der langen Messer.«
»Das leuchtet mir ein«, nickte Paul, drängte aber weiter: »Entschuldigen Sie bitte, wenn ich auf meiner Frage bestehe: Was werden Sie jetzt tun?«
»Wir alle werden das tun, was sich schon in früheren Zeiten bestens bewährt hat«, erklärte das Staatsoberhaupt und wischte mit der flachen Hand über die Tischplatte. Dann sah er Paul an. »Wir ziehen einen Schlussstrich!«
Paul und Georg trauten ihren Ohren nicht. War alles umsonst gewesen? Wagner wollte noch etwas entgegnen, aber der Bundespräsident hob seine Hand.
»Professor Sina, Herr Wagner, Sie sind die Helden der Stunde und ohne Zweifel auch der Republik. Das werde ich, das werden wir alle Ihnen niemals vergessen, auch wenn offiziell gar nichts passiert ist.« Ebner zog seine Augenbrauen zusammen. »Die Liveschaltungen waren mehrere Minuten zeitverzögert, niemand vor den TV-Geräten hat etwas von all dem gesehen. Jegliches Pressematerial wurde sofort konfisziert und eine Nachrichtensperre verhängt. Ich hoffe, wir haben uns verstanden?«
Wagner und Sina nickten vollkommen perplex. Georg begann die Reaktion seines Vaters zu verstehen.
»Sehr fein!«, freute sich das Staatsoberhaupt. »Das habe ich mir gedacht. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, meine Herren, ich habe dem Land eine Regierung zu beschaffen. Mein Fahrer wird Sie nach Hause bringen. Guten Tag!«
Ebner drückte einen Knopf auf seinem Intercom und schüttelte den beiden Männern zum Abschied die Hände. Dann drehte er sich um und griff zum Telefon.
Eine attraktive, junge Frau in einem eleganten grauen Kostüm begleitete Sina und Wagner plaudernd die breiten Stiegen hinunter auf den Ballhausplatz, wo sie bereits von der Limousine des Bundespräsidenten erwartet wurden. Der rot-weiß-rote Stander mit dem Bundesadler flatterte im ersten Herbstwind, als der lange Mercedes anrollte und die Torwache salutierte.
»Zu dir oder zu mir?«, scherzte Wagner
»Weder noch«, gab Sina lachend zurück und hielt sich die schmerzenden Rippen. »Erinnerst du dich? Bernhard gibt doch heute ein Fest im Prindl für Eddy und sein Team, und wenn ich es recht überlege, dann könnten wir schon ein wenig vorfeiern. Sonst holen uns die anderen zu schnell ein.«
Den Volksauflauf vor dem Prindl vor Augen, wenn die Staatslimousine des Bundespräsidenten vorfahren würde, lehnte sich Wagner zum Chauffeur und nannte ihm die Adresse des Nachtcafés.
Epilog II
F ünf Tage nach dem – im wahrsten Sinne des Wortes – »berauschenden« Fest, das nach Ansicht aller Teilnehmer in die Annalen des »Prindl« eingehen würde, saßen Paul und Georg in einer harten Kirchenbank und bewunderten einen reich geschnitzten Flügelaltar. Der kleine Wallfahrtsort Maria Laach mit seiner gotischen Kirche, am Südhang des flach ansteigenden, weitläufigen Berges mit dem Namen »Jauerling« gelegen, zog seit
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