Narr
ihn.
Ebner hob suchend den Blick. Als er Paul Wagner und Georg Sina in der Menge erkannte, erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht und er ließ das Blatt sofort sinken. Aus Manfred Wegscheiders Gesicht wich jede Farbe, während die potenziellen Mitglieder der Regierungsbank fragende Blicke wechselten.
»Paul Wagner, United Media Group!« Mit handfester Durchsetzungskraft schob sich der Reporter in die erste Reihe, dicht gefolgt von Sina. »Herr Wegscheider, gestatten Sie mir ein paar Fragen: Jetzt, wo alle drei Sprengfallen entschärft sind und das vierte Senfgaslager sich als Niete entpuppt hat, wodurch rechtfertigt sich diese geplante Amtsübergabe?«
Die Kameras schwenkten von Wagner auf den Finanzminister. Wegscheider setzte ein Filmstarlächeln auf. Neben ihm stand eine stolze Wilma Palm mit zwei gerahmten Urkunden im Arm.
»Ich weiß beim besten Willen nicht, wovon sie sprechen.« Er blickte selbstsicher in die Runde. »Die Forderungen gewisser gewaltbereiter Kreise, die unser Land in diese Krise gestürzt haben, haben mich zutiefst erschüttert. Ich versichere Ihnen, Herr Wagner, Ihr haltloser Versuch, mich und meine Partei in Verbindung zu den Terroristen zu setzen, wird ein gerichtliches Nachspiel haben. Allein das österreichische Volk hat seinen Willen geäußert, mir als Vizekanzler und Chef der zweitstärksten Fraktion in dieser Zeit der Krise und Hilflosigkeit der letzten Bundesregierung die Regierungsgewalt zu erteilen, wie sie mir gemäß meiner Abstammung rechtmäßig zusteht. Und ich versichere Ihnen, dass schon jetzt die Exekutive unter unserer Führung entscheidende Ermittlungsergebnisse zur Ergreifung und Verurteilung der Schuldigen erzielt hat. Gestatten Sie mir, als dem offensichtlich jüngeren von uns beiden …« – er hob die Hände, legte den Kopf ein wenig zur Seite und lächelte mitleidig – »Ihnen zum Abschluss einen Ratschlag für Ihren weiteren Lebensweg ins Stammbuch zu schreiben: Überlegen Sie es sich in Zukunft besser, ob Sie eine solch bedeutende Feierstunde mit Ihren unqualifizierten und verleumderischen Zwischenrufen stören, sonst werden wir uns an anderer Stelle weiter unterhalten.« Jeder freundliche Zug war schlagartig aus seinem Gesicht gewichen.
Wagner blieb unbeeindruckt. »Sie behaupten, einen rechtmäßigen Anspruch auf die österreichische Kaiserkrone zu besitzen. Mein Freund hier, der renommierte Historiker Georg Sina, und ich widersprechen dem aufs Entschiedenste. Es existiert kein Anspruch Ihrerseits!«
Ein verstörtes Gemurmel wurde laut. Die Verwirrung stand den Journalisten, aber auch vielen der zukünftigen Regierungsmitglieder ins Gesicht geschrieben. Einige Kameraleute wussten nicht, was sie tun sollten, Mikrofone schwankten zwischen Wegscheider und Wagner hin und her. Nur Karla grinste über beide Ohren und zischte ihren Leuten zu: »Draufhalten! Jetzt wird’s interessant! Dieser Wagner ist immer für Überraschungen gut.«
Wegscheiders Gesicht verfinsterte sich und er wies auf die beiden gerahmten Dokumente. »Ich habe die entsprechenden Urkunden von der Hand Kaiser Josephs I. führenden Experten und Juristen zur Überprüfung gegeben. Ihre Echtheit und Stichhaltigkeit ist über jeden Zweifel erhaben. Was erlauben Sie sich, hier …«
»Ich erlaube mir …«, unterbrach ihn Wagner unwirsch, »… festzuhalten, dass Ihr direkter Vorfahr, Joseph Gottfried Pargfrieder, ein illegitimer Sohn von Kaiser Joseph II. gewesen ist. Somit entstammen Sie mütterlicherseits zwar dem Haus Habsburg, väterlicherseits jedoch der Linie Habsburg-Lothringen und unterstehen somit dem ›Familienstatut‹ von 1839!« Paul lächelte zufrieden.
Das hübsche Gesicht des Vizekanzlers verzog sich zu einer zornigen Fratze. Er holte tief Luft, um zu einer Entgegnung anzusetzen, aber der Bundespräsident gebot ihm mit einer Handbewegung zu schweigen.
»Stimmt das, Professor Sina?«, hakte Ebner hoffnungsvoll nach.
»Das heißt«, bestätigte Sina, »dass – sofern es jemals wieder einen Kaiser von Österreich geben sollte, was in Anbetracht des Bundesverfassungsgesetzes legal ohnedies unmöglich ist – er nur aus dem Erzhaus, in direkter, väterlicher Blutlinie, beginnend mit Karl I., dem letzten Kaiser und König, nominiert werden kann! Was bei Manfred Wegscheider, der ein Nachkomme Pargfrieders ist, nicht der Fall ist. Nach dem Hausgesetz von Staatskanzler Metternich ist Manfred Wegscheider nichts weiter als ein Bastard und darum nicht erbberechtigt.«
Ein
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