Narziss und Goldmund
gleich den alten Werken des Hauses ganz zum Bau und zum Leben des Klosters gehören und ein Teil von ihm werden. Am liebsten hätte er einen Altar gemacht oder auch eine Kanzel, für beides aber war kein Bedürfnis und Raum. Dafür fand er etwas anderes. Im Refektorium der Patres gab es eine erhöhte Nische, in der während der Mahlzeiten stets ein junger Bruder die Legende vorlas. Diese Nische war ohne Schmuck. Goldmund beschloß, den Aufgang zum Lesepult und dieses selbst mit einer hölzernen Schmuckverkleidung zu versehen, der einer Kanzel ähnlich, mit halb erhabenen und einigen beinah freistehenden Figuren. Er teilte den Plan dem Abte mit, der ihn lobte und willkommen hieß.
Als nun endlich die Arbeit beginnen konnte – es lag Schnee, und Weihnachten war schon vorüber –, nahm Goldmunds Leben eine neue Gestalt an. Fürs Kloster war er wie verschwunden, niemand sah ihn mehr, er wartete nicht mehr am Ende der Schulstunden auf die Schülerschar, strich nicht mehr im Walde herum, wandelte nicht mehr im Kreuzgang. Die Mahlzeiten nahm er jetzt beim Müller – es war nicht mehr der, den er als Schüler einst viel besucht hatte. Und in seine W erkstatt ließ er keinen Men schen eintreten als seinen Gehilfen Erich, auch dieser bekam an manchen Tagen kein Wort von ihm zu hören.
Für sein erstes Werk, die Vorleserempore, hatte er in langem Sinnen diesen Plan aufgestellt von den beiden Teilen, aus denen das Werk bestand, sollte der eine die Welt, der andere das göttliche Wort darstellen. Der untere Teil, die Treppe, aus einem starken Eichenstamm hervorwachsend und sich um ihn drehend, sollte die Schöpfung darstellen, Bilder der Natur und des einfachen Lebens der Patriarchen. Der obere Teil, die Brüstung, würde die Bilder der vier Evangelisten tragen. Einem der Evangelisten wollte er die Gestalt des seligen Abtes Daniel geben, einem andern die des seligen Pater Martin, seines Nachfolgers, und in der Figur des Lukas wollte er seinen Meister Niklaus verewigen.
Er stieß auf große Schwierigkeiten, auf größere, als er gedacht hatte Sie machten ihm Sorgen, aber es waren süße Sorgen, er warb um das Werk entzückt und verzweifelt wie um eine spröde Frau, er kämpfte mit ihm erbittert und zart, wie ein Angler mit einem großen Hecht kämpft, jeder Widerstand belehrte ihn und machte ihn feinfühliger. Er vergaß alles andere, er vergaß das Kloster, vergaß beinahe Narziß. Dieser fand sich einige Male ein, bekam aber nichts zu sehen als Zeichnungen.
Dafür überraschte ihn eines Tages Goldmund mit der Bitte, ihm Beichte zu hören.
»Ich konnte mich bisher nicht dazu bringen«, gestand er, »ich kam mir zu gering vor, ich fühlte mich vor dir schon gerade genug gedemütigt. Jetzt ist mir wohler, ich habe jetzt meine Arbeit und bin kein Nichts mehr. Und da ich nun schon einmal in einem Kloster mitlebe, möchte ich mich der Ordnung fügen.«
Er fühlte sich der Stunde jetzt gewachsen und wollte nicht länger damit warten. Und in dem beschaulichen Le ben der ersten Wochen, in der Hingabe an all das Wiedersehen und Jugendgedenken und auch in den Erzählungen, um die ihn Erich bat, war der Rückblick auf sein Leben in eine gewisse Ordnung und Klarheit gerückt.
Narziß empfing ihn ohne Feierlichkeit zur Beichte Sie dauerte gegen zwei Stunden. Mit unbewegtem Gesicht hörte der Abt die Abenteuer, Leiden und Sünden seines Freundes an, stellte manche Fragen, unterbrach nie und hörte auch jenen Teil der Beichte gleichgültig an, in dem Goldmund das Hinschwinden seines Glaubens an Gottes Gerechtigkeit und Gute bekannte. Er war ergriffen von manchen Bekenntnissen des Beichtenden, er sah, wieviel er geschüttelt und erschreckt worden war und wie nah er zuweilen am Untergang gewesen war. Dann wieder mußte er lächeln und war gerührt von des Freundes unschuldig gebliebener Kindlichkeit, denn er fand ihn besorgt und reuig wegen unfrommer Gedanken, die im Vergleich mit seinen eigenen Zweifeln und Denkabgründen harmlos waren.
Zu Goldmunds Verwunderung, ja Enttäuschung, nahm der Beichtvater seine eigentlichen Sünden nicht allzu schwer, mahnte und strafte ihn aber ohne Schonung wegen seiner Vernachlässigung des Betens, Beichtens und Kommunizierens. Er legte ihm die Buße auf, vor dem Empfang der Kommunion vier Wochen mäßig und keusch zu leben, jeden Morgen die erste Frühmesse zu hören und jeden Abend drei Vaterunser und einen Marienhymnus zu sprechen.
Nachher sagte er zu ihm »Ich ermahne und bitte dich, diese Buße
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