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Narziss und Goldmund

Titel: Narziss und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Sternenraum, den zu betrachten und auszumessen scheint mir allerdings keine unwürdige Aufgabe.«
    Lächelnd fiel Narziß ein »Du w illst eigentlich sagen, daß du vom Denken nichts hältst, wohl aber von der Anwendung des Denkens auf die praktische und sichtbare Welt.
    Ich kann dir antworten: an Gelegenheiten zur Anwendung unseres Denkens und am Willen dazu fehlt es uns keineswegs. Der Denker Narziß zum Beispiel hat die Ergebnisse seines Denkens sowohl auf seinen Freund Goldmund wie auf jeden seiner Mönche hundertmal zur Anwendung gebracht und tut es zu jeder Stunde. Wie aber sollte er etwas ›anwenden‹, wenn er es nicht zuvor gelernt und geübt hätte. Auch der Künstler übt ja sein Auge und seine Phantasie immerzu, und wir erkennen seine Übung an, wenn sie auch nur in wenigen wirklichen Werken zur Auswirkung kommt. Du kannst nicht das Denken als solches verwerfen, seine ›Anwendung‹ aber billigen! Der Widerspruch ist klar. Also laß mich ruhig denken, und beurteile mein Denken nach seinen Auswirkungen, ebenso wie ich deine Künstlerschaft nach deinen Werken beurteilen werde. Du bist jetzt unruhig und gereizt, weil zwischen dir und deinen Werken noch Hindernisse liegen. Räume sie weg, suche oder baue dir eine Werkstatt und gehe auf deine Werke los! Viele Fragen werden sich dabei von selber lösen.«
    Goldmund wünschte sich nichts Besseres.
    Er fand einen Raum neben dem Hoftor, der zur Zeit leer stand und sich zur Werkstatt eignete. Er gab dem Zimmermann einen Zeichentisch und anderes Gerät in Auftrag, das er ihm genau aufzeichnete. Er stellte eine Liste der Gegenstände auf, die ihm von den Klosterfuhrleuten nach und nach aus den nächsten Städten mitgebracht werden sollten, eine lange Liste. Er schaute sich beim Zimmermann u nd im Walde alle Vorräte von ge schlagenem Holze an, wählte viele Stücke für sich aus und ließ eins ums andere in den Grasgarten hinter seiner Werkstatt schaffen, wo er sie trocken lagerte und mit ei genen Händen ein Schutzdach darüber zimmerte. Auch hatte er viel beim Schmied zu tun, dessen Sohn, einen jungen träumerischen Menschen, er ganz bezauberte und für sich gewann. Mit ihm stand er nun halbe Tage an der Esse, am Amboß, am Kühltrog und am Schleifstein, da stellten sie alle die krummen und geraden Schnitzmesser, Meißel, Bohrer und Sch abeisen her, die er zur Bearbei tung der Hölzer brauchte. Der Schmiedssohn Erich, ein Jüngling von etwa zwanzig Jahren, wurde Goldmunds Freund, er half überall mit und war voll glühender Teil nahme und Neugierde. Goldmund versprach ihm, ihn im Lautenspiel zu unterrichten, was er sich sehnlich wünschte, und auch das Schnitzen sollte er bei ihm probieren dürfen. Wenn Goldmund zuzeiten sich im Kloster und bei Narziß recht unnütz und bedrückt fühlte, konnte er sich bei Erich erholen, der ihn schüchtern liebte und ohne Maß verehrte. Oft bat er ihn, ihm vom Meister Niklaus und von der Bischofsstadt zu erzählen, manchmal tat Goldmund es gerne und war dann plötzlich verwundert darüber, daß er nun hier sitze und wie ein alter Mann von Reisen und Taten der Vergangenheit berichte, da doch sein Leben erst richtig beginnen sollte.
    Daß er sich in den letzten Zeiten stark verändert hatte und weit über seine Jahre gealtert war, konnte niemand sehen, sie hatten ihn ja vorher nicht gekannt. Die Nöte der Wanderschaft und des unsteten Lebens mochten schon früher an ihm gezehrt haben, dann aber hatte die Pestzeit mit ihren vielen Schrecken und zuletzt seine Gefangenschaft beim Grafen und jene grausige Nacht im Schloßkeller ihn bis ins tiefste erschüttert, und es blieb davon dies und jenes zurück: graue Haare im blonden Bart, dünne Falten im Gesicht, Zeiten mit schlechtem Schlaf und zuweilen inn en im Herzen eine gewisse Ermü dung, ein Erschlaffen der Lus t und Neugierde, ein graues laues Gefühl von Genu ghaben und Sattsein. Beim Vorbe reiten seiner Arbeit, in den Gesprächen mit Erich, in den Hantierungen beim Schmied und Zimmermann taute er auf, wurde lebhaft und jung, alle bewunderten ihn und hatten ihn gern, aber dazwischen saß er nicht selten halbe und ganze Stunden müde, lächelnd und träumerisch, einer Apathie und Gleichgültigkeit hingegeben.
    Sehr wichtig war ihm die Frage, wo er denn mit seiner Arbeit beginnen solle. Das erste Werk, das er hier machen und mit dem er die Gastfreundschaft des Klosters heimzahlen wollte, sollte kein zufälliges sein, das man irgendwo zur Neugierde aufstellt, sondern es sollte

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