Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Narziss und Goldmund

Titel: Narziss und Goldmund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
Vom Netzwerk:
vonnöten.
    Deutlich fühlte er alles, was wichtig und schön war, die Jugendkraft und einfac he gesunde Schönheit des Frauen leibes, sein Warmwerden und Begehren; deutlich auch fühlte er, daß sie diesmal anders geliebt zu werden wünsche als beim erstenmal, daß sie diesmal ihn nicht verführen und belehren, sondern sein Angreifen und seine Begierde erwarten wolle. Still ließ er die Ströme durch sich hingehen, glücklich empfand er das lautlose stillwachsende Feuer, das in ihnen beiden lebendig war und das ihre kleine Lagerstätte zur atmenden und glühenden Mitte der ganzen schweigenden Nacht machte.
    Als er sich über Lises Gesicht gebeugt hatte und im Dunkeln ihre Lippen zu küssen begann, sah er plötzlich ihre Augen und die Stirn in einem sanften Licht er schimmern, staunend blickte er hin und sah zu, wie der Schein aufdämmerte und schnell sich verstärkte. Dann begriff er und wandte sich um: überm Rand der schwarzen langgestreckten Wälder kam der Mond herauf. Wunderbar sah er das weiße sanfte Licht über ihre Stirn und Wangen fließen, über den runden lichten Hals, und sagte leise und entzückt: »Wie schön du bist!«
    Sie lächelte wie beschenkt, er richtete sie halb auf, zog ihr sanft das Gewand vom Halse weg, half ihr heraus und schälte sie, bis Schultern und Brust nackt im kühlen Mondlicht schimmerten. Mit Augen und Lippen folgte er hingenommen den zarten Schatten, schauend und küssend; wie bezaubert hielt sie still, mit gesenktem Blick und einem feierlichen Ausdruck, als werde ihre Schönheit in diesem Augenblick zum erstenmal, auch ihr selbst, entdeckt und offenbar.

 

     

    Siebentes Kapitel
     
    Während es über den Feldern kühl wurde und von Stunde zu Stunde der Mond höher rückte, ruhten die Liebenden auf ihrem sanft beschienenen Lager, in ihre Spiele verloren, gemeinsam entschlummernd und schlafend, im Erwachen sich neu zueinander wendend und einander entzündend, aufs neue ineinander verstrickt, aufs neue entschlafend. Nach der letzten Umarmung lagen sie erschöpft, Lise hatte sich tief ins Heu gepreßt und atmete schmerzlich, Goldmund lag auf dem Rücken, regungslos, und starr te lang in den bleichen Mond himmel; in beiden stieg die große Traurigkeit empor, der sie in den Schlaf entflohen. Sie schliefen tief und verzweifelt, schliefen gierig, als sei es zum letztenmal, als seien sie zu ewigem Wachsein verurteilt und müßten in diesen Stunden vorher noch allen Schlaf der Welt in sich eintrinken.
    Beim Erwachen sah Goldmund Lise mit ihren schwarzen Haaren beschäftigt. Er sah ihr eine Weile zu, zerstreut und erst halb wach geworden.
    »Du bist schon wach?« sagte er schließlich.
    Sie wandte sich mit einem Ruck ihm zu, wie erschrocken.
    »Ich muß jetzt fortgehen«, sagte sie, etwas bedrückt und verlegen. »Ich wollte dich nicht wecken.«
    »Nun bin ich ja wach. Müssen wir denn schon weiter?
    Wir sind doch heimatlos.«
    »Ich, ja«, sagte Lise. »Du gehörst doch ins Kloster.«
    »Ich gehöre nicht mehr ins Kloster, ich bin wie du, ich bin ganz allein und habe kein Ziel. Ich werde mit dir gehen, natürlich.«
    Sie blickte zur Seite.
    »Goldmund, du kannst nicht mit mir kommen. Ich muß jetzt zu meinem Mann; er wird mich schlagen, weil ich die Nacht ausgeblieben bin. Ich sage, ich hätte mich verlaufen.
    Aber natürlich glaubt er es nicht.«
    In diesem Augenblick erinnerte sich Goldmund, daß Narziß ihm dies vorausgesagt habe. Also so stand es nun.
    Er stand auf und gab ihr die Hand.
    »Ich habe mich verrechnet«, sagte er, »ich hatte geglaubt, wir beide würden beisammen bleiben. – Aber hast du mich wirklich schlafen lassen wollen und ohne Abschied fortlaufen?«
    »Ach, ich dachte, du würdest böse werden und mich vielleicht schlagen. Daß me in Mann mich schlägt, nun ja, das ist so, es ist in Ordnung. Aber ich wollte nicht auch noch von dir Schläge bekommen.«
    Er hielt ihre Hand fest.
    »Lise«, sagte er, »ich schlage dich nicht, heute nicht und niemals. Willst du nicht lieber mit mir gehen statt mit deinem Mann, wenn er dich doch prügelt?«
    Sie zog heftig, um ihre Hand loszubekommen.
    »Nein, nein, nein«, rief sie, mit einer weinerlichen Stimme. Und weil er wohl fü hlte, daß ihr Herz von ihm fort strebe, und daß sie lieber von dem andern Schläge wolle als von ihm gute Worte, ließ er die Hand los, und jetzt fing sie an zu weinen. Aber zugleich lief sie. Die Hände vor die nassen Augen haltend, lief sie davon. Er sagte nichts mehr und sah ihr nach. Sie tat i

Weitere Kostenlose Bücher