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Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Dalinger
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Nächten kaum noch schlafen, hat sie mir anvertraut. Auch Tine leidet wohl unter der Aufregung. Sie kommt mir blass und nervös vor. Diese kurze Zeitspanne, in der sie auf einmal hübsch aussah, ist so schnell vorbei, als hätte ich mir das eingebildet. Sie ist immerzu an Finns Seite, die beiden halten Händchen, aber weil ich ihn nicht ausstehen kann, finde ich das nicht so süß wie bei den anderen Pärchen in unserer Gruppe. Er schaut sie an, als würde sie ihm gehören, ihm ganz persönlich. Sobald sie etwas sagen will, unterbricht er sie und sagt es an ihrer Stelle, mit seinen eigenen Worten. Dem hätte ich schon längst die Meinung gegeigt! Warum lässt sie sich das bloß gefallen? Aber um sie zu fragen, müsste ich sie endlich mal alleine erwischen, und das wäre ein seltener Glücksfall.
    Sonja zuliebe überstehe ich die Probe, ohne Finn vor die Schuhe zu kotzen.
    »Super«, sagt Michael. »Es bleibt dabei, wegen deiner Predigt, Tine?«
    Sie wirft einen Blick zu Finn hinüber und schüttelt den Kopf. »Ach, das ... das habe ich ja ganz vergessen.«
    »Du hast mir doch neulich schon erzählt, du hättest eine Idee dafür«, protestiert Michael. »Das wird klasse, Tine, trau dich ruhig.«
    »Ich hab keine Predigt, klar?«, faucht sie.
    »Oh«, sagt er. »Dann, ja ... nun, okay.«
    Als ich meinen Soldatenumhang ausziehe, steht sie plötzlich hinter mir. Sie macht ein böses Gesicht, als wollte sie mich gleich angreifen. Aber dann sehe ich, dass sie nur mühsam die Fassung aufrecht erhält.
    »Hast du mal wieder was von ... Basti gehört?«, fragt sie leise. »Kommt er auch?«
    Ich sehe ihn ab und zu, aber wir haben schon länger nicht mehr miteinander gesprochen. Er winkt, wenn er mich sieht. Und ein Mal, ein einziges Mal, hat er nach Tine gefragt und sich dabei fast die Lippe zerbissen.
    »Würde mich wundern«, sage ich, wohl etwas schroffer als nötig, doch da in ihren Augen Tränen glitzern, tut es mir gleich darauf leid. »Hey, alles in Ordnung?«
    »Ja«, wispert sie. »Klar, warum sollte auch nicht alles in Ordnung sein?«
    Ist das Tine? Jedenfalls nicht die Tine, die ich kenne.
    »Soll ich ihm was ausrichten?«, frage ich.
    Sie öffnet den Mund, um etwas zu sagen. Da taucht Finn an der Schwelle auf. »Kommst du?«, ruft er.
    Sofort dreht sie sich um und geht zu ihm. Unser Gespräch ist zu Ende.
    Sachen gibt’s.
    Bevor ich heute ins Bett gehe, fische ich meine Bibel aus der Schublade und suche nach einem Wort, das mich beruhigt und mir sagt, was ich tun soll. Ich gehe nach dem Schneeflockenprinzip vor – oder, wie Daniel sagen würde, Bibelroulette.
    Blättere mal hier, mal da. Nein, ich finde nichts, was mich von diesem unguten Gefühl ablenkt. Das mir versichert, dass alles gut ist und ich bloß vertrauen soll. Die Unruhe bleibt. Was soll ich tun? Kann ich überhaupt etwas tun? Tine ist unglücklich, aber wer wäre das nicht von Zeit zu Zeit? Mir sieht man vielleicht auch an, dass es mir schon mal besser ging, aber das Letzte, was ich wollte, wäre, dass jemand sich einmischt und mir gute Ratschläge gibt. Tine muss sich schon selbst entscheiden, ob sie mit diesem Oberpenner Finn das große Los gezogen hat.
    Kein Vers, der mir eine eindeutige Antwort gibt. Wäre ja auch zu schön gewesen. Ich stelle mir vor, dass ich im Schnee stehe und die Wolke über mir Unmengen an Schneeflocken ausschüttet und keine mich trifft. Würde ich mich verloren fühlen? Irgendwie betrogen? Ich weiß nicht. Der Winter ist vorbei, aber in mir bleibt dieses seltsame Gefühl von Kälte.
    Der Ostersamstag – unser großer Abend. Was haben wir dafür geackert, geschwitzt, gestritten. Ich versuche, alle Bedenken abzuschütteln und einfach nur mein Bestes zu geben. Dabei bin ich so aufgeregt wie vor einer Prüfung. Mann, hab ich ein Lampenfieber! Vielleicht sollte ich doch nicht Schauspielerin werden.
    Die Stuhlreihen füllen sich mit Angehörigen, die an unserem Scheitern Anteil nehmen wollen. Auch meine ganze Familie ist da, was ich absolut überflüssig finde, ich würde nämlich lieber still und heimlich versagen, nicht vor so vielen Leuten. Silas drückt mich, wobei er mir fast das Soldatengewand von den Schultern reißt, und findet, dass ich mit dem Helm cool aussehe. Das baut mich tatsächlich etwas auf. Später schaue ich mich um – alle, die mitmachen, sitzen vorne – und sehe, dass meine Mutter neben Daniels Mutter sitzt. Ich würde gerne seine Hand drücken, aber neben mir sitzt bloß Tine, und dass ich ihre Hand

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