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Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Dalinger
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ist?«
    Ihre Stimme klingt wie berstendes Eis, als sie sagt: »Weißt du, was mit dir los ist, Miriam? Was dein Problem ist? Du kannst es bloß nicht haben, wenn du nicht alles bestimmst. Wenn du nicht der Star bist. Du kannst es nicht vertragen, wenn du nicht ganz oben bist und auf alle anderen herabsehen kannst. Du bist bloß sauer, weil du eine kleinere Rolle hattest als ich!«
    »Das ist nicht wahr!«
    Wir sind lauter geworden, als ich dachte. Als Michael ruft: »Was ist denn hier los?«, wird mir klar, dass wir Zuschauer haben und ein offenbar interessanteres Schauspiel bieten als vorhin auf der Bühne.
    Auch Tine bemerkt es. Sie sieht sich um, Panik glänzt in ihren Augen auf, ihr wird bewusst, wie peinlich das ist. Die anderen lassen sie durch, als sie davonrauscht.
    »Hier gibt es nichts zu sehen«, sagt Michael streng und scheucht die Zaungäste fort. »Ist der Tisch schon gedeckt? Habt ihr nichts zu tun?« Dann erst wendet er sich an mich. »Alles in Ordnung? Ihr kratzt euch jetzt nicht gegenseitig die Augen aus, hoffe ich?«
    »Nein«, sage ich langsam. Ich bin immer noch ganz benommen von ihrer Wut.
    Er klopft mir auf die Schulter. »Das war eine schöne Aufführung, wirklich. Du warst toll, Miriam. Vordergründig warst du jemand, der beim Lügen kein schlechtes Gewissen hatte, aber man hat dir angesehen, dass du dabei unglücklich warst. Perfekt.«
    Er schlendert davon, vielleicht auf der Suche nach weiteren Streitigkeiten, die er schlichten kann. Daniel schiebt sich in mein Blickfeld.
    »Hey«, sagt er tröstend und legt die Arme um mich. »Was geht denn hier ab?«
    »Keine Ahnung«, meine ich. »Tine ist doch sonst nicht so heftig. Wie sie mich angemotzt hat, das war irgendwie furchteinflößend. Glaubst du, sie hasst mich? Nur weil ich mich beschwert hab, dass sie ihren Text nicht konnte?«
    »Na, so schlimm wird es schon nicht sein«, sagt er. Jemand wie Daniel kann sich garantiert nicht vorstellen, dass fromme Mädchen einander wegen einer winzigen Rolle in einem winzigen Theaterstück hassen könnten. »Nach so einem Auftritt sind alle noch nervös«, überlegt er. »Morgen sieht schon wieder alles anders aus.«
    Ich hoffe sehr, dass er recht hat.
    Während wir essen, treffen mich fragende Blicke. Manche tuscheln. Alle haben von dem Streit gehört. Ich halte vergebens nach Tine Ausschau. Sie hat sich verdrückt, wie es scheint. Schade. Am liebsten hätte ich die Sache heute Abend noch bereinigt. Mir ist nicht danach, morgen Ostern zu feiern, mit diesem bitteren Geschmack in meinem Mund.
    »Lächel doch mal«, flüstert er. Ein kleines Grinsen stiehlt sich in seine Augen. »Morgen ist übrigens Ostersonntag.«
    »Ja, ich weiß.« Dann geht mir plötzlich auf, was er meint.
    Am Ostersonntag ist die Fastenzeit zu Ende. Oh Gott, wie kann man sich auf einen einzigen Kuss freuen! Jetzt habe ich erst recht keinen Appetit mehr. Das wird das schönste Osterfest, das ich je hatte!
    Trotz Tine.
    Ostern ist die Stimmung feierlich. Die ganze Welt leuchtet. Nicht nur draußen, wo die Sonne den hellblauen Himmel mit einem goldenen Strahlen überzieht. Aus den Töpfen vor allen Haustüren blinzeln Primeln und Osterglocken. Der Frühling ist über uns hereingebrochen, als hätten sich plötzlich die Wolken verzogen und würden uns einen Blick nach ganz oben gewähren, bis in den
Himmel
.
    Ich singe die Lieder mit, so richtig voller Inbrunst. Daniel schaut mich etwas verwundert von der Seite her an. Aber heute glaube ich. Heute glaube ich an alles. Jesus ist auferstanden, das muss gefeiert werden. Der Tod wird nicht siegen. Das beste Beispiel ist Sarah, die heute Urlaub von der Reha hat und am Gottesdienst teilnimmt. Sie sitzt auf Daniels anderer Seite, die Krücken an die Stühle vor ihr gelehnt. Sie sieht ihrem Bruder unglaublich ähnlich, genau wie ich mir gedacht habe. Die beiden könnten Zwillinge sein, auch wenn sie drei Jahre älter ist als er. Daniel ist größer, aber ansonsten ist sie wie eine weibliche Ausgabe von ihm. Obwohl sie noch etwas blass und geschwächt wirkt, ist ihr Lächeln offen und freundlich, während ich seins immer etwas geheimnisvoll finde, als ob er in seinem Kopf gerade ein Lied komponiert, das noch niemand kennt außer ihm und Gott.
    Es stört mich nicht im Geringsten, dass Tine nicht zum Gottesdienst auftaucht und ich keine Gelegenheit habe, mich mit ihr auszusprechen. Vielleicht ist es ganz gut, wenn wir beide noch etwas Zeit haben, um uns wieder zu beruhigen. So kann ich mich voll

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