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Narzissen und Chilipralinen - Roman

Narzissen und Chilipralinen - Roman

Titel: Narzissen und Chilipralinen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Dalinger
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drücken möchte, nein, so schlimm steht es um mich noch nicht.
    Michael moderiert den Abend. Erzählt kurz, was wir uns dabei gedacht haben. Das ist weder ein Talentwettbewerb noch geht es darum, mit dem, was man kann, anzugeben. Wir wollen nur zeigen, dass Gott jedem von uns Gaben gegeben hat, selbst denen, die bisher zu schüchtern waren, um sie einzusetzen. Keiner ist leer ausgegangen. Jeder ist ein geliebtes Kind Gottes.
    »Erwarten Sie keine perfekte Show«, sagt Michael mit einem Augenzwinkern. »Für manche ist das hier das erste Mal, dass sie öffentlich etwas vorführen. Vor anderen auftreten – damit gibt man auch etwas von sich preis, macht sich angreifbar und verletzlich. Das ist nicht einfach. Das will nicht jeder. Umso mehr freue ich mich, dass alle aus der
Life and Hope
-Gruppe heute Abend dabei sind – manche schon halbe Profis, für andere ist das hier ein großer Schritt, der sie vielleicht ermutigt, öfter etwas zu wagen.«
    Ich finde, er macht das gut, der Michael.
    Nein, dieser Abend wird nicht perfekt. Bei den Sängerinnen, die vor Aufregung den Einsatz verpassen und die hohen Töne nicht hinkriegen, macht mir das nichts aus. Die Band ist fantastisch – ich hatte keine Ahnung, dass Finn so gut am Schlagzeug ist. Daniel glänzt mit einem Gitarrensolo. Er bekommt den größten Applaus, und mit einem verlegenen Grinsen setzt er sich wieder hin. Daniel ist absolut keine Bühnensau, diese Aufmerksamkeit ist ihm peinlich, und ich freue mich tierisch über die Qualen, die er erleidet, als das Publikum eine Zugabe fordert. Kevin liest eine Geschichte vor, angeblich hat er sie selbst geschrieben, aber ich vermute, er hat sie eigenhändig aus dem Netz runtergeladen. Seine Oma hat Tränen in den Augen.
    Dann sind wir dran.
    Die Soldaten reden aufgeregt über die Engel, die sie gesehen haben, darüber, dass Jesus auferstanden ist. Der eine hat Angst, der zweite sucht nach einer logischen Erklärung. Als sie zum Hohenpriester kommen und Bericht erstatten, da fangen sie an, herumzudrucksen, und sind sich nicht mehr sicher, was sie gesehen haben. Auf den Befehl zu lügen, reagieren sie unterschiedlich. Der Soldat, den ich spiele, ist glücklich über das Geld. Sonja brilliert als ängstlicher Soldat, der keinen Ärger will. Nur Tine soll aufmucken und auf dem Rückweg ihre Zweifel äußern. Das wäre die Paraderolle für Basti gewesen. Vielleicht denkt sie auch gerade daran, denn sie stockt, stottert herum, ihr fällt der halbe Text nicht ein, und deshalb verpasse ich mein Stichwort und stehe ein paar Sekunden mit offenem Mund da, bis ich begreife, dass ich eigentlich dran bin. Sonja, die das Stück so gut wie auswendig kennt, greift ein.
    »Wir müssen uns an den Befehl halten«, sagt sie. »Wir sind Soldaten, schon vergessen? Auf unsere Meinung kommt es gar nicht an.«
    Irgendwie kriegen wir den Abschluss hin und stolpern zurück zu unseren Plätzen. Das Publikum klatscht höflich. Ich kann nur hoffen, dass sie dachten, das Herumgestottere gehört zur Rolle.
    Dafür, dass wir so lange auf diesen Abend gewartet haben, ist er dann doch recht schnell zu Ende. Jedenfalls für die Besucher. Den Hopis steht noch das Festmahl bevor, das die Kochgruppe vorbereitet hat. Der große Gruppenraum ist schon fertig geschmückt, mit Frühlingsblumen und Papiergirlanden. Alles sieht einladend und festlich aus, aber ich habe gar keinen Appetit.
    Wütend schäle ich mich aus meinem Umhang.
    »Was war das denn?«, zischt Tine.
    »Das wollte ich dich auch gerade fragen«, gebe ich zurück. »Was war bloß los mit dir?«
    »Du hast deinen Einsatz verpasst, das war los«, sagt sie. »Alle haben es gemerkt. Bist du nicht die Superschauspielerin hier? Die neue Angelina Jolie? Du kannst es wohl gar nicht gut vertragen, vor allen einen Fehler zu machen?«
    Einen Moment bin ich verwirrt, ausgerechnet mit der Jolie verglichen zu werden – ähnlich sehen wir uns nicht gerade.
    »Wieso ich?«, schnappe ich. »Du hast das doch gnadenlos in den Sand gesetzt. Aber sorry – eigentlich kannst du ja nichts dafür. Dein toller Finn hat die Rollen absolut dämlich verteilt. Du wärst als Priesterin perfekt gewesen. Aber einen reuigen Soldaten, das nimmt dir wirklich niemand ab. Wann hast du denn das letzte Mal etwas bereut, he?«
    Das ist wohl etwas hart, aber die Wörter prasseln nur so aus mir heraus. All der aufgestaute Ärger. »Erst habt ihr Basti vertrieben und wofür? Für diese blöde Aufführung, die sowieso voll danebengegangen

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