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Nashira

Nashira

Titel: Nashira
Autoren: L Troisi
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Sklaventreibern. Das tat mehr weh als die Hände. Wir müssen so schnell wie möglich weg. Der Ketzer ist irgendwo dort draußen, und wir verlieren wertvolle Zeit.«
    Saiph seufzte. »Ich hab schon hin und her überlegt, was wir tun können. Es ist wirklich schwierig.«
    »Aber du bist ein Sklave, du bist unter Sklaven zur Welt gekommen und aufgewachsen. Du weißt alles, was man über einen Ort wie diesen wissen muss. Und außerdem will ich mein Schwert zurück. Heute habe ich den Sklavenjäger gesehen, der es mir abgenommen hat. Er spaziert damit durch den Ort und trägt es wie eine verdammte Trophäe.«
    Noch bevor Saiph antworten konnte, ging die Bodenklappe auf.
    »Ihr könnt raufkommen«, sagte Hergat, wobei er sich in das Loch hinabbeugte.
    Die beiden stemmten sich aus dem Versteck. Alle Fenster des Häuschens waren verschlossen, und die Luft roch angenehm. Auf dem Tisch standen vier Schüsseln, und aus einer davon stieg das unverwechselbare Aroma von Fleisch auf.
    »Wie habt ihr das gemacht?«, fragte Talitha voller Vorfreude auf diese Köstlichkeit.
    »Ich habe einem Femtiten, der bei den Herrschaften in der Küche arbeitet, Thurgankraut verkauft«, erklärte Saiphs
Großvater, zog einen Stuhl zurück und lud die Gäste ein, Platz zu nehmen.
    Talitha ließ sich nicht lange bitten und genoss es, wie die heiße Bohnensuppe mit Fleisch ihren Magen füllte.
    Als sie fertig gegessen hatten, begann Hergat zu erzählen.
    »Deine Großmutter«, sagte er zu Saiph, »war die Leibsklavin eines der Herren hier: Sie diente ihm ergeben auf jede erdenkliche Weise, stets gehorsam und natürlich vollkommen seinem Willen unterworfen. Wenn ich abends sah, wie sie völlig erschöpft von den Strapazen und Stockhieben heimkehrte, musste ich gewaltsam den Drang unterdrücken, den Herrn aufzusuchen und ihn zu töten.« Dynaer berührte seine Hand, und er hielt inne, während er die ihre drückte. »Aber nur so konnten wir Anyas retten. Wir fassten den Plan, sie weit fortzuschicken, ins Reich des Sommers, wo, wie wir gehört hatten, das Leben weniger brutal war und man an wohlwollende Herrschaften geraten konnte.«
    »Sie aber wollte bei uns bleiben und weinte in einem fort an dem Tag, als sie den Karren bestieg, der sie wegbrachte«, erzählte Dynaer weiter. »Doch niemals hätte ich es zugelassen, dass man ihr die Zunge herausschneidet und zu dem freudlosen Leben zwingt, das wir führen.« Die alte Femtitin stand auf, ging zum Herd und nahm von einem kleinen Regal darüber ein Holzkistchen. Das stellte sie auf den Tisch und öffnete es. Darin lagen kleine gefaltete Pergamentblätter, die eng mit einer kindlichen unordentlichen Handschrift beschrieben waren. »Einmal im Jahr hat sie uns einen Brief geschickt, in dem sie uns alles erzählte, was in ihrem Leben geschah. So erfuhren wir von dir«, sagte sie und sah Saiph voller Zuneigung an. »Wir selbst können nicht lesen, doch wir brachten die Briefe zu einem der wenigen Femtiten, die
es gelernt haben. Wir hörten ihm zu und hatten das Gefühl, sie sei wieder bei uns.«
    Behutsam, so als handele es sich um kostbare Reliquien, nahm Saiph die Briefe in die Hand und überflog, was darin stand.
    Einen hob er an und las laut vor: »Die Tochter der Herrin ist wunderbar. Obwohl sie noch so jung ist, hilft sie mir sehr in diesen schwierigen Tage. Ich erwarte ein Kind.«
    Reglos stand Talitha mit geballten Fäusten da. »Lebitha ...«, murmelte sie. Schon beim Klang des Namens zuckte sie zusammen. Tagelang hatte sie ihn nicht mehr ausgesprochen, und dennoch ließ sie die Erinnerung an ihre Schwester keinen Augenblick los. Ihretwegen war sie so weit in die Ferne gezogen, bis zu den Grenzen Talarias.
    Saiph legte das Pergamentblatt zurück. »Meine Mutter hat mir nie erzählt, wer mein Vater ist. Ich weiß nur, dass er sich geweigert hat, mich anzuerkennen, und auch von ihr nichts mehr wissen wollte.«
    Es war das erste Mal, dass Saiph von seiner Vergangenheit erzählte. In dieser Hinsicht war er immer so zurückhaltend gewesen, dass Talitha ihn nie gefragt hatte, was damals genau geschehen war: Er hatte eben nie einen Vater gehabt, und mehr musste man nicht wissen.
    »Obwohl sie sich sehr bemühte, hat sie es leider nicht geschafft, auch uns in den Palast zu holen. Es ist praktisch unmöglich, als Sklave von den Eisminen wegzukommen«, erklärte Hergat. »Natürlich haben wir sie vermisst, aber wichtiger war, dass es ihr gut ging. Wir hatten den Eindruck, dass sie sogar richtig glücklich
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