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Nashira

Nashira

Titel: Nashira Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Troisi
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Nebenwegen auf die Hauptader gelangten und hier auf Beute hofften. Meistens handelte es sich um Femtiten, in letzter Zeit aber auch zunehmend um Talariten, die der Hunger zu einem solchen Leben zwang, die Not, die in weiten Bereichen Talarias herrschte, eine Trockenheit, die das Reich des Sommers immer mehr verheerte. Dabei war die Hauptader wegen des regen Verkehrs noch sicherer als die ruhigeren Nebenwege.
    Wie alle Straßen Talarias war auch die Hauptader eine Art hoch gelegener Tunnel, dessen Wände das Astgewirr kleinerer, miteinander verflochtener Talareths bildete. Im Unterschied zu den umliegenden Wegen, den sogenannten Baumpfaden zwischen Städten und Dörfern, war die Hauptader ein immenses, kunstvolles Bauwerk. Die Fahrbahnen für den in zwei Richtungen flutenden Verkehr waren über zehn Ellen breit und Personenkutschen und Transportkarren vorbehalten. An den Seiten verliefen zusätzlich noch zwei schmalere Wege, in jede Richtung eine, die für Fußgänger vorgesehen waren. Am Weg lagen verschiedene Gasthäuser, viele von ihnen mit guter Küche, in denen wohlhabende Händler und Adlige auf Reisen gern einkehrten. Auch Graf Megassa wurde hier mit allen Ehren empfangen. An den höheren Ästen waren in regelmäßigen Abständen Luftkristalle so groß wie Kinderköpfe aufgehängt. Je nach Energieladung glitzerten sie in verschieden hellen Blautönen; einigen war anzusehen, dass sie bald ausgetauscht und in einem Kloster wieder aufgeladen werden mussten, andere strahlten in vollem Glanz.
    Das Geflecht aus Blättern und Zweigen war so dicht, dass Miraval und Cetus nicht zu sehen waren, ließ aber die Sicht
auf die dahinterliegende Landschaft zu. Talitha wusste, was sie dort erwartet hätte: Wo keine Talareths wuchsen und keine Luftkristalle angebracht waren, war auch kein Leben, so wie sie es kannten, möglich. Die abseits der Städte und der Baumpfade liegenden Flächen waren mit einer Art dunkel schimmernden Grasdecke überzogen, auf der hier und dort niedrige, vielleicht zwei Ellen hohe Büsche mit weißen Blättern und rötlichen Stämmen aufragten. Talitha hatte diese Landschaft bisher immer nur auf Zeichnungen in ihren Büchern gesehen. Allerdings wagte es auch niemand, das Wegesystem, mit dem die Städte und Ortschaften Talarias verbunden waren, zu verlassen, denn andernfalls drohte der Tod durch Ersticken. Nun waren es keine Bilder mehr, sondern die Wirklichkeit, die die junge Gräfin durch größere Lücken in dem Gewirr der Zweige, wenn auch undeutlich, erkennen konnte.
    Der allgemeinen Armut zum Trotz herrschte auf der Hauptader ein reges Hin und Her von Personen und Waren, und einmal erkannte Talitha sogar einen geflügelten Drachen. Er war mindestens vier Ellen lang, und sein schmaler, wie der einer Schlange gewundene Leib glitzerte in einem Goldgelb, das am Rücken und zu den Flügeln hin, die sich zwischen scharfen Klauen spannten, in ein Grün überging. Sein länglicher, ebenfalls schmaler Kopf wurde von einem breiten Kamm um den Hals geschützt, und aus seinem Maul standen scharfe, lange Reißzähne hervor. In niedriger Höhe schwebte er über sie hinweg. Sein Flügelschlag, der gleichzeitig gedämpft und kraftvoll klang, schien die Luft um sie herum vibrieren zu lassen. Geritten wurde das Tier von einem Mann in einer Rüstung, die seinen ganzen Körper schützte, wahrscheinlich ein General, vielleicht unterwegs zu einer
wichtigen Beratung. Staunend und mit offenem Mund sah Talitha dem Drachenreiter nach, bis er aus dem engen Blickwinkel der Kutsche verschwunden war.
    Auch viele Fußgänger waren unterwegs, zumeist Kaufleute auf Reisen, aber auch die ein oder andere Sklavenkolonne. An der Spitze der Sklavenhalter und seitlich hinter ihm, in regelmäßigen Abständen, seine mit Strafstöcken ausgerüsteten Aufseher, die den Zug der Sklaven antrieben, an Händen und Füßen gefesselte Femtiten mit vom Hunger ausgezehrten Gesichtern, von denen einige fast bewusstlos dahintaumelten.
    Einige Male beobachtete das Mädchen Straßenwärter bei der Arbeit, die sich um die Leichen verhungerter Sklaven, die am Wegesrand zurückgeblieben waren, kümmerten. Auch die Zahl der Bettler war groß. Sie waren überall, umlagerten die Reisenden und flehten sie an, mit irgendetwas ihre Not zu lindern.
    Talitha konnte kaum glauben, was sie alles sah. Etwa die Femtiten-Kinder mit ihren aufgeblähten Bäuchen, die völlig sich selbst überlassen waren. Einmal musste sie miterleben, wie die Gardisten ihres Vaters einen

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