Natalia, ein Mädchen aus der Taiga
verlangte im Interesse der Leute von Satowka, mit allen Mitteln zu verhindern, daß wieder ein rätselhafter Tod die Gemüter auf Jahre hinaus belasten konnte. So rauh die unbarmherzige Natur die Menschen in der Taiga geprägt hatte, so zart und seidig waren ihre Seelchen.
Da man bei dem Popen nur auf dumpfes Grollen stieß und die Auskunft erhielt, der Ingenieur und Geologe Tassburg verlache alle Realitäten und alle Warnungen, zog der Viermanntrupp zum Lager und bat darum, den Genossen Projektleiter sprechen zu dürfen. Er kam sofort zu der Delegation und lächelte.
Mit gerunzelten Stirnen hatten die Genossen aus Satowka bemerkt, daß bereits ein Lastwagen beladen wurde, um Tische, ein Bett, Schränke, Stühle, ein Reißbrett, Kartenrollen, Büromaschinen und Meßinstrumente in das ›Leere Haus‹ zu bringen.
»Ich nehme an«, sagte Tassburg freundlich, »Sie sind gekommen, liebe Genossen, um mit mir über Brennholz und eventuell notwendige Reparaturen am Haus zu sprechen. Nicht nötig, das machen wir alles selbst. Unser Trupp ist seit zwei Jahren unterwegs, wir haben für alles Werkzeuge bei uns. Trotzdem danke ich Ihnen für Ihre Hilfsbereitschaft.«
Es war zum Verzweifeln. Der Dorfsowjet bot Tassburg an, ein großes Zimmer in der Gemeindeverwaltung zu beziehen, es sei zwar der Schulungsraum der Partei, aber da die Partei für alle da sei, erfülle man – ganz im Sinne des Kommunismus – ein gutes Werk.
Überhaupt – die Partei! Vor sieben Jahren war ein Funktionär aus Batkit gekommen, nachdem er zufällig gehört hatte, daß es dieses Satowka gab. Er ging durch das Dorf, betrachtete mißbilligend die Kirche und stänkerte daran herum. »Einen Pfaffen habt ihr?« rief er. »Und wo ist das Parteihaus? Wo steht das Fundament des Sozialismus? Wo habt ihr Kontakt zum Fortschritt? Ich verlange, daß ihr eine Stolowaja baut, und jede Woche werden dann in diesem Saal Schulungen abgehalten!«
Also baute man eine Art Saal aus dicken Rundstämmen, hängte Bilder von Lenin und Breschnew hinein und hielt insgesamt siebenmal Schulungen ab. Dann kümmerte sich keiner mehr darum, Satowka wurde wieder vergessen, und der Pope Tigran annektierte auch die Stolowaja für Weihnachtsfeiern und das große, gemeinsame Osteressen.
Warum sollte der Raum jetzt nicht ein Konstruktionsbüro für Erdgassucher werden?
»Ich beziehe Anastasias Haus!« sagte Tassburg laut und endgültig. »Ich will euch beweisen, daß es keinen Fluch und keine Geister gibt.«
Die Delegation zog mit hängenden Köpfen ab. Zwar erwog man, einen Abgesandten nach Batkit zu schicken, um die Hilfe der höhergestellten Genossen herbeizurufen, aber dann verwarf man diesen Plan. Es hatte keinen Nutzen, Satowka wieder der Umwelt in Erinnerung zu rufen. Allein lebte man ruhiger, was man wissen wollte, brachte der Postgänger alle zwei Wochen ins Dorf mit Zeitungen und Illustrierten. Radio hatte man auch – man soll nicht ohne triftigen Grund auf sich aufmerksam machen!
»Er zieht ein!« meldete ein Bauer, der in der Nähe des ›Leeren Hauses‹ Wache gestanden hatte. »Sie haben die Tür aufgebrochen, das Schloß war total verrostet. Jetzt weht der Staub durch die offenen Fenster hinaus.«
»Wir können nichts mehr ändern, Brüder!« meinte der Dorfsowjet bedrückt, aber feierlich. »Wir können nur noch abwarten, wie er stirbt: durch einen Dolch, indem ihm etwas auf den Kopf fällt, oder durch den eigenen Wahnsinn, der ihn packen wird, wenn er Albina Igorewna nachts an seinem Bett stehen sieht!«
Während Tassburg und vier Mann seines Trupps das Haus säuberten, die Wände abwuschen und probierten, ob der Ofen noch Zug hätte – übrigens: er hatte, als habe man ihn gerade erst gemauert! –, die Möbel hereintrugen und auf dem Propangaskocher eine Kanne mit Tee warm gemacht wurde, suchte der Pope ein Standkreuz aus, das er Tassburg leihen wollte. Anastasia aber hockte verzweifelt neben ihrem Ofen und dachte an den Fluch, der über ihrem Besitztum hing.
II
Am Abend war das Haus so wohnlich hergerichtet, daß Tassburg mit wirklicher Freude durch die vier Räume ging.
Tigran hatte sein Kreuz gebracht, aber er betrat das Haus nicht, sondern übergab es Tassburg vor der Tür. »Michail Sofronowitsch, Sie müssen es an Ihr Bett stellen«, sagte er dabei. »Die Ausstrahlung des Herrn wird Sie wie ein Panzer umgeben.«
Nun war die Nacht gekommen, im Wohnraum und im Schlafzimmer brannten Gaslampen, im Gegensatz zu den anderen Häusern, wo das Petroleum
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