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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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nicht!

    Es ist ein garst’ger Tod, verbrennen. Oh!
    NATHAN.
    Mein Kind! mein liebes Kind!
    RECHA. Ihr
    mußtet
    über

    Den Euphrat, Tigris, Jordan; über - wer

    Weiß was für Wasser all? - Wie oft hab ich

    Um Euch gezittert, eh’ das Feuer mir

    So nahe kam! Denn seit das Feuer mir

    So nahe kam: dünkt mich im Wasser sterben

    Erquickung, Labsal, Rettung. - Doch Ihr seid

    Ja nicht ertrunken: ich, ich bin ja nicht

    Verbrannt. Wie wollen wir uns freun, und Gott,

    6

    Gott loben! Er, er trug Euch und den Nachen

    Auf Flügeln seiner unsichtbaren Engel

    Die ungetreuen Ström’ hinüber. Er,

    Er winkte meinem Engel, daß er sichtbar

    Auf seinem weißen Fittiche, mich durch

    Das Feuer trüge -
    NATHAN. (Weißem
    Fittiche!

    Ja, ja! der weiße vorgespreizte Mantel
    Des
    Tempelherrn.)
    RECHA.
    Er sichtbar, sichtbar mich

    Durchs Feuer trüg’, von seinem Fittiche

    Verweht. - Ich also, ich hab einen Engel

    Von Angesicht zu Angesicht gesehn;
    Und
    meinen
    Engel.
    NATHAN.
    Recha wär’ es wert;

    Und würd’ an ihm nichts Schönres sehn, als er
    An
    Ihr
    RECHA.
    (lächelnd) Wem schmeichelt Ihr, mein Vater? wem?

    Dem Engel, oder Euch?
    NATHAN.
    Doch hätt’ auch nur

    Ein Mensch - ein Mensch, wie die Natur sie täglich

    Gewährt, dir diesen Dienst erzeigt: er müßte

    Für dich ein Engel sein. Er müßt’ und würde.
    RECHA.
    Nicht so ein Engel; nein! ein wirklicher;

    Es war gewiß ein wirklicher! - Habt Ihr,

    Ihr selbst die Möglichkeit, daß Engel sind,

    Daß Gott zum Besten derer, die ihn lieben,

    Auch Wunder könne tun, mich nicht gelehrt?

    Ich lieb ihn ja.
    NATHAN.
    Und er liebt dich; und tut

    Für dich, und deinesgleichen, stündlich Wunder;

    Ja, hat sie schon von aller Ewigkeit
    Für
    euch
    getan.
    RECHA.
    Das hör ich gern.
    NATHAN. Wie?
    weil

    Es ganz natürlich, ganz alltäglich klänge,

    Wenn dich ein eigentlicher Tempelherr

    Gerettet hätte: sollt’ es darum weniger

    Ein Wunder sein? - Der Wunder höchstes ist,

    Daß uns die wahren, echten Wunder so

    Alltäglich werden können, werden sollen.

    Ohn’ dieses allgemeine Wunder, hätte

    Ein Denkender wohl schwerlich Wunder je

    Genannt, was Kindern bloß so heißen müßte,

    Die gaffend nur das Ungewöhnlichste,

    Das Neuste nur verfolgen.
    DAJA.
    (zu Nathan) Wollt Ihr denn

    Ihr ohnedem schon überspanntes Hirn

    7

    Durch solcherlei Subtilitäten ganz
    Zersprengen?
    NATHAN.
    Laß mich! - Meiner Recha wär’

    Es Wunders nicht genug, daß sie ein Mensch

    Gerettet, welchen selbst kein kleines Wunder

    Erst retten müssen? Ja, kein kleines Wunder!

    Denn wer hat schon gehört, daß Saladin

    Je eines Tempelherrn verschont? daß je

    Ein Tempelherr von ihm verschont zu werden

    Verlangt? gehofft? ihm je für seine Freiheit

    Mehr als den ledern Gurt geboten, der

    Sein Eisen schleppt; und höchstens seinen Dolch?
    RECHA.
    Das schließt für mich, mein Vater. - Darum eben

    War das kein Tempelherr; er schien es nur. -
    Kömmt
    kein
    gefangner
    Tempelherr je anders

    Als zum gewissen Tode nach Jerusalem;

    Geht keiner in Jerusalem so frei

    Umher: wie hätte mich des Nachts freiwillig

    Denn einer retten können?
    NATHAN.
    Sieh! wie sinnreich.

    Jetzt, Daja, nimm das Wort. Ich hab es ja

    Von dir, daß er gefangen hergeschickt

    Ist worden. Ohne Zweifel weißt du mehr.
    DAJA.
    Nun ja. - So sagt man freilich; - doch man sagt

    Zugleich, daß Saladin den Tempelherrn

    Begnadigt, weil er seiner Brüder einem,

    Den er besonders lieb gehabt, so ähnlich sehe.

    Doch da es viele zwanzig Jahre her,

    Daß dieser Bruder nicht mehr lebt, - er hieß,

    Ich weiß nicht wie; - er blieb, ich weiß nicht wo: -

    So klingt das ja so gar - so gar unglaublich,

    Daß an der ganzen Sache wohl nichts ist.
    NATHAN.
    Ei, Daja! Warum wäre denn das so

    Unglaublich? Doch wohl nicht - wie’s wohl geschieht -

    Um lieber etwas noch Unglaublichers

    Zu glauben? - Warum hätte Saladin,

    Der sein Geschwister insgesamt so liebt,

    In jüngern Jahren einen Bruder nicht

    Noch ganz besonders lieben können? - Pflegen

    Sich zwei Gesichter nicht zu ähneln? - Ist

    Ein alter Eindruck ein verlorner? - Wirkt

    Das Nämliche nicht mehr das Nämliche? -

    Seit wenn? - Wo steckt hier das Unglaubliche? -

    Ei freilich, weise Daja, wär’s für dich

    Kein Wunder mehr; und deine Wunder nur

    Bedürf … verdienen, will ich sagen, Glauben.
    DAJA. Ihr
    spottet.
    NATHAN.
    Weil du meiner spottest. - Doch

    8

    Auch so noch, Recha, bleibet deine Rettung

    Ein Wunder,

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