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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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unterscheidet,

    Soll bald geschieden wieder sein. - Seht da

    Das Ehrenkleid, das Saladin mir gab.

    Eh’ es verschossen ist, eh’ es zu Lumpen

    Geworden, wie sie einen Derwisch kleiden,
    Hängt’s
    in
    Jerusalem am Nagel, und

    Ich bin am Ganges, wo ich leicht und barfuß

    Den heißen Sand mit meinen Lehrern trete.
    NATHAN. Dir
    ähnlich
    g’nug!

    13
    DERWISCH. Und
    Schach mit ihnen spiele.
    NATHAN.
    Dein höchstes Gut!
    DERWISCH.
    Denkt nur, was mich verführte! -

    Damit ich selbst nicht länger betteln dürfte?

    Den reichen Mann mit Bettlern spielen könnte?

    Vermögend wär’ im Hui den reichsten Bettler

    In einen armen Reichen zu verwandeln?
    NATHAN.
    Das nun wohl nicht.
    DERWISCH. Weit
    etwas
    Abgeschmackters!

    Ich fühlte mich zum erstenmal geschmeichelt;

    Durch Saladins gutherz’gen Wahn geschmeichelt -
    NATHAN. Der
    war?
    DERWISCH. »Ein
    Bettler
    wisse nur, wie Bettlern

    Zumute sei; ein Bettler habe nur

    Gelernt, mit guter Weise Bettlern geben.

    Dein Vorfahr, sprach er, war mir viel zu kalt,

    Zu rauh. Er gab so unhold, wenn er gab;

    Erkundigte so ungestüm sich erst
    Nach
    dem
    Empfänger; nie zufrieden, daß

    Er nur den Mangel kenne, wollt’ er auch

    Des Mangels Ursach’ wissen, um die Gabe

    Nach dieser Ursach’ filzig abzuwägen.

    Das wird Al-Hafi nicht! So unmild mild

    Wird Saladin im Hafi nicht erscheinen!

    Al-Hafi gleicht verstopften Röhren nicht,

    Die ihre klar und still empfangnen Wasser

    So unrein und so sprudelnd wiedergeben.

    Al-Hafi denkt; Al-Hafi fühlt wie ich!« -

    So lieblich klang des Voglers Pfeife, bis

    Der Gimpel in dem Netze war. - Ich Geck!

    Ich eines Gecken Geck!
    NATHAN.
    Gemach, mein Derwisch,
    Gemach!
    DERWISCH.
    Ei was! - Es wär’ nicht Geckerei,

    Bei Hunderttausenden die Menschen drücken,

    Ausmergeln, plündern, martern, würgen; und

    Ein Menschenfreund an einzeln scheinen wollen?

    Es wär’ nicht Geckerei, des Höchsten Milde,

    Die sonder Auswahl über Bös’ und Gute

    Und Flur und Wüstenei, in Sonnenschein

    Und Regen sich verbreitet, - nachzuäffen,

    Und nicht des Höchsten immer volle Hand

    Zu haben? Was? es wär’ nicht Geckerei …
    NATHAN. Genug!
    hör
    auf!
    DERWISCH.
    Laßt meiner Geckerei

    Mich doch nur auch erwähnen! - Was? es wäre

    Nicht Geckerei, an solchen Geckereien

    Die gute Seite dennoch auszusparen,

    14

    Um Anteil, dieser guten Seite wegen,

    An dieser Geckerei zu nehmen? He?
    Das
    nicht?
    NATHAN.
    Al-Hafi, mache, daß du bald

    In deine Wüste wieder kömmst. Ich fürchte,

    Grad unter Menschen möchtest du ein Mensch
    Zu
    sein
    verlernen.
    DERWISCH.
    Recht, das fürcht ich auch.
    Lebt
    wohl!
    NATHAN.
    So hastig? - Warte doch, Al-Hafi.

    Entläuft dir denn die Wüste? - Warte doch! -

    Daß er mich hörte! - He, Al-Hafi! hier! -

    Weg ist er; und ich hätt’ ihn noch so gern

    Nach unserm Tempelherrn gefragt. Vermutlich,

    Daß er ihn kennt.

    VIERTER
    AUFTRITT

    Daja eilig herbei. Nathan.

    DAJA.
    O Nathan, Nathan!
    NATHAN. Nun?
    Was
    gibt’s?
    DAJA.
    Er läßt sich wieder sehn! Er läßt

    Sich wieder sehn!
    NATHAN.
    Wer, Daja? wer?
    DAJA. Er!
    Er!
    NATHAN.
    Er? Er? - Wann läßt sich der nicht sehn! - Ja so,

    Nur euer Er heißt er. - Das sollt’ er nicht!

    Und wenn er auch ein Engel wäre, nicht!
    DAJA.
    Er wandelt untern Palmen wieder auf

    Und ab; und bricht von Zeit zu Zeit sich Datteln.
    NATHAN.
    Sie essend? - und als Tempelherr?
    DAJA. Was
    quält

    Ihr mich? - Ihr gierig Aug’ erriet ihn hinter

    Den dicht verschränkten Palmen schon; und folgt

    Ihm unverrückt. Sie läßt Euch bitten, - Euch

    Beschwören, - ungesäumt ihn anzugehn.

    O eilt! Sie wird Euch aus dem Fenster winken,

    Ob er hinaufgeht oder weiter ab

    Sich schlägt. O eilt!
    NATHAN.
    So wie ich vom Kamele

    Gestiegen? - Schickt sich das? - Geh, eile du

    Ihm zu; und meld ihm meine Wiederkunft.

    Gib acht, der Biedermann hat nur mein Haus

    In meinem Absein nicht betreten wollen;

    Und kömmt nicht ungern, wenn der Vater selbst

    15

    Ihn laden läßt. Geh, sag, ich laß ihn bitten,
    Ihn
    herzlich bitten …
    DAJA.
    All umsonst! Er kömmt

    Euch nicht. - Denn kurz; er kömmt zu keinem Juden.
    NATHAN.
    So geh, geh wenigstens ihn anzuhalten;

    Ihn wenigstens mit deinen Augen zu

    Begleiten. - Geh, ich komme gleich dir nach.

    (Nathan eilet hinein, und Daja heraus.)

    FÜNFTER
    AUFTRITT

    Szene: ein Platz mit Palmen, unter welchen der Tempelherr auf und nieder geht. Ein Klosterbruder folgt ihm in einiger Entfernung von der

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