Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
Vom Netzwerk:
Feuer
    Sie
    rettete.
    NATHAN.
    Wer war das? wer? - Wo ist er?

    Wer rettete mir meine Recha? wer?
    DAJA.
    Ein junger Tempelherr, den, wenig Tage

    Zuvor, man hier gefangen eingebracht,

    Und Saladin begnadigt hatte.
    NATHAN. Wie?

    Ein Tempelherr, dem Sultan Saladin

    Das Leben ließ? Durch ein geringres Wunder

    War Recha nicht zu retten? Gott!
    DAJA. Ohn’
    ihn,

    Der seinen unvermuteten Gewinst

    Frisch wieder wagte, war es aus mit ihr.
    NATHAN.
    Wo ist er, Daja, dieser edle Mann? -

    Wo ist er? Führe mich zu seinen Füßen.

    Ihr gabt ihm doch vors erste, was an Schätzen

    Ich euch gelassen hatte? gabt ihm alles?

    Verspracht ihm mehr? weit mehr?
    DAJA. Wie
    konnten
    wir?
    NATHAN. Nicht?
    nicht?
    DAJA.
    Er kam, und niemand weiß woher.

    Er ging, und niemand weiß wohin. - Ohn’ alle
    Des
    Hauses
    Kundschaft, nur von seinem Ohr

    Geleitet, drang, mit vorgespreiztem Mantel,

    Er kühn durch Flamm’ und Rauch der Stimme nach,

    Die uns um Hilfe rief. Schon hielten wir

    Ihn für verloren, als aus Rauch und Flamme

    Mit eins er vor uns stand, im starken Arm

    Empor sie tragend. Kalt und ungerührt

    4

    Vom Jauchzen unsers Danks, setzt seine Beute

    Er nieder, drängt sich unters Volk und ist -
    Verschwunden!
    NATHAN.
    Nicht auf immer, will ich hoffen.
    DAJA.
    Nachher die ersten Tage sahen wir

    Ihn untern Palmen auf und nieder wandeln,

    Die dort des Auferstandnen Grab umschatten.

    Ich nahte mich ihm mit Entzücken, dankte,

    Erhob, entbot, beschwor, - nur einmal noch

    Die fromme Kreatur zu sehen, die

    Nicht ruhen könne, bis sie ihren Dank

    Zu seinen Füßen ausgeweinet.
    NATHAN. Nun?
    DAJA.
    Umsonst! Er war zu unsrer Bitte taub;

    Und goß so bittern Spott auf mich besonders …
    NATHAN.
    Bis dadurch abgeschreckt …
    DAJA. Nichts
    weniger

    Ich trat ihn jeden Tag von neuem an;

    Ließ jeden Tag von neuem mich verhöhnen.

    Was litt ich nicht von ihm! Was hätt’ ich nicht

    Noch gern ertragen! - Aber lange schon

    Kommt er nicht mehr, die Palmen zu besuchen,

    Die unsers Auferstandnen Grab umschatten -

    Und niemand weiß, wo er geblieben ist. -

    Ihr staunt? Ihr sinnt?
    NATHAN. Ich
    überdenke
    mir,

    Was das auf einen Geist, wie Rechas, wohl

    Für Eindruck machen muß. Sich so verschmäht

    Von dem zu finden, den man hochzuschätzen

    Sich so gezwungen fühlt; so weggestoßen,

    Und doch so angezogen werden; - Traun,

    Da müssen Herz und Kopf sich lange zanken,

    Ob Menschenhaß, ob Schwermut siegen soll.

    Oft siegt auch keines; und die Phantasie,

    Die in den Streit sich mengt, macht Schwärmer,

    Bei welchen bald der Kopf das Herz, und bald

    Das Herz den Kopf muß spielen. - Schlimmer Tausch! -

    Das letztere, verkenn ich Recha nicht,

    Ist Rechas Fall: sie schwärmt.
    DAJA.
    Allein so fromm,
    So
    liebenswürdig!
    NATHAN.
    Ist doch auch geschwärmt!
    DAJA.
    Vornehmlich eine - Grille, wenn Ihr wollt,

    Ist ihr sehr wert. Es sei ihr Tempelherr
    Kein
    irdischer
    und
    keines irdischen;

    Der Engel einer, deren Schutze sich

    Ihr kleines Herz, von Kindheit auf, so gern

    Vertrauet glaubte, sei aus seiner Wolke,

    5

    In die er sonst verhüllt, auch noch im Feuer,

    Um sie geschwebt, mit eins als Tempelherr

    Hervorgetreten. - Lächelt nicht! - Wer weiß?

    Laßt lächelnd wenigstens Ihr einen Wahn,

    In dem sich Jud’ und Christ und Muselmann

    Vereinigen; - so einen süßen Wahn!
    NATHAN.
    Auch mir so süß! - Geh, wackre Daja, geh;

    Sieh, was sie macht; ob ich sie sprechen kann. -

    Sodann such ich den wilden, launigen

    Schutzengel auf. Und wenn ihm noch beliebt,

    Hienieden unter uns zu wallen; noch

    Beliebt, so ungesittet Ritterschaft

    Zu treiben: find ich ihn gewiß; und bring
    Ihn
    her.
    DAJA.
    Ihr unternehmet viel.
    NATHAN. Macht
    dann

    Der süße Wahn der süßern Wahrheit Platz: -

    Denn, Daja, glaube mir; dem Menschen ist

    Ein Mensch noch immer lieber, als ein Engel -

    So wirst du doch auf mich, auf mich nicht zürnen,

    Die Engelschwärmerin geheilt zu sehn?
    DAJA.
    Ihr seid so gut, und seid zugleich so schlimm!

    Ich geh! - Doch hört! doch seht! - Da kommt sie selbst.

    ZWEITER
    AUFTRITT

    Recha und die Vorigen.

    RECHA.
    So seid Ihr es doch ganz und gar, mein Vater?

    Ich glaubt’, Ihr hättet Eure Stimme nur

    Vorausgeschickt. Wo bleibt Ihr? Was für Berge,

    Für Wüsten, was für Ströme trennen uns

    Denn noch? Ihr atmet Wand an Wand mit ihr,

    Und eilt nicht, Eure Recha zu umarmen?

    Die arme Recha, die indes verbrannte! -

    Fast, fast verbrannte! Fast nur. Schaudert

Weitere Kostenlose Bücher