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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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Seite, immer als ob er ihn anreden wolle.

    TEMPELHERR.
    Der folgt mir nicht vor langer Weile! - Sieh,

    Wie schielt er nach den Händen! - Guter Bruder, …

    Ich kann Euch auch wohl Vater nennen; nicht?
    KLOSTERBRUDER. Nur Bruder - Laienbruder nur; zu dienen.
    TEMPELHERR.
    Ja, guter Bruder, wer nur selbst was hätte!

    Bei Gott! bei Gott! Ich habe nichts -
    KLOSTERBRUDER. Und doch

    Recht warmen Dank! Gott geb’ Euch tausendfach,

    Was Ihr gern geben wolltet. Denn der Wille

    Und nicht die Gabe macht den Geber. - Auch

    Ward ich dem Herrn Almosens wegen gar
    Nicht
    nachgeschickt.
    TEMPELHERR.
    Doch aber nachgeschickt?
    KLOSTERBRUDER. Ja; aus dem Kloster.
    TEMPELHERR.
    Wo ich eben jetzt

    Ein kleines Pilgermahl zu finden hoffte?
    KLOSTERBRUDER. Die Tische waren schon besetzt; komm’ aber Der Herr nur wieder mit zurück.
    TEMPELHERR. Wozu?

    Ich habe Fleisch wohl lange nicht gegessen:

    Allein was tut’s? Die Datteln sind ja reif.
    KLOSTERBRUDER. Nehm’ sich der Herr in acht mit dieser Frucht.

    Zu viel genossen taugt sie nicht; verstopft

    Die Milz; macht melancholisches Geblüt.
    TEMPELHERR.
    Wenn ich nun melancholisch gern mich fühlte? -

    Doch dieser Warnung wegen wurdet Ihr

    Mir doch nicht nachgeschickt?
    KLOSTERBRUDER. O nein! - Ich soll

    Mich nur nach Euch erkunden; auf den Zahn
    Euch
    fühlen.
    TEMPELHERR.
    Und das sagt Ihr mir so selbst?
    KLOSTERBRUDER. Warum nicht?
    TEMPELHERR.
    (Ein verschmitzter Bruder!) - Hat

    16

    Das Kloster Euresgleichen mehr?
    KLOSTERBRUDER. Weiß nicht.

    Ich muß gehorchen, lieber Herr.
    TEMPELHERR. Und
    da

    Gehorcht Ihr denn auch ohne viel zu klügeln?
    KLOSTERBRUDER. Wär’s sonst gehorchen, lieber Herr?
    TEMPELHERR. (Daß
    doch

    Die Einfalt immer Recht behält!) - Ihr dürft

    Mir doch auch wohl vertrauen, wer mich gern

    Genauer kennen möchte? - Daß Ihr’s selbst

    Nicht seid, will ich wohl schwören.
    KLOSTERBRUDER. Ziemte mir’s?
    Und
    frommte
    mir’s?
    TEMPELHERR.
    Wem ziemt und frommt es denn,

    Daß er so neubegierig ist? Wem denn?
    KLOSTERBRUDER. Dem Patriarchen; muß ich glauben. - Denn Der sandte mich Euch nach.
    TEMPELHERR. Der
    Patriarch?

    Kennt der das rote Kreuz auf weißem Mantel
    Nicht
    besser?
    KLOSTERBRUDER. Kenn ja ich’s!
    TEMPELHERR.
    Nun, Bruder? nun? -

    Ich bin ein Tempelherr; und ein gefangner. -
    Setz
    ich
    hinzu:
    gefangen bei Tebnin,

    Der Burg, die mit des Stillstands letzter Stunde

    Wir gern erstiegen hätten, um sodann

    Auf Sidon loszugehn; - setz ich hinzu:

    Selbzwanzigster gefangen und allein

    Vom Saladin begnadiget: so weiß

    Der Patriarch, was er zu wissen braucht; -

    Mehr, als er braucht.
    KLOSTERBRUDER. Wohl aber schwerlich mehr,

    Als er schon weiß. - Er wüßt’ auch gern, warum

    Der Herr vom Saladin begnadigt worden;

    Er ganz allein.
    TEMPELHERR.
    Weiß ich das selber? - Schon

    Den Hals entblößt, kniet’ ich auf meinem Mantel,

    Den Streich erwartend: als mich schärfer Saladin

    Ins Auge faßt, mir näher springt, und winkt.

    Man hebt mich auf; ich bin entfesselt; will

    Ihm danken; seh sein Aug’ in Tränen: stumm

    Ist er, bin ich; er geht, ich bleibe. - Wie

    Nun das zusammenhängt, enträtsle sich
    Der
    Patriarche
    selbst.
    KLOSTERBRUDER. Er schließt daraus,

    Daß Gott zu großen, großen Dingen Euch

    Müss’ aufbehalten haben.
    TEMPELHERR. Ja,
    zu
    großen!

    17

    Ein Judenmädchen aus dem Feu’r zu retten;

    Auf Sinai neugier’ge Pilger zu

    Geleiten; und dergleichen mehr.
    KLOSTERBRUDER. Wird schon

    Noch kommen! - Ist inzwischen auch nicht übel. -

    Vielleicht hat selbst der Patriarch bereits

    Weit wicht’gere Geschäfte für den Herrn.
    TEMPELHERR.
    So? meint Ihr, Bruder? - Hat er gar Euch schon
    Was
    merken
    lassen?
    KLOSTERBRUDER. Ei, jawohl! - Ich soll

    Den Herrn nur erst ergründen, ob er so

    Der Mann wohl ist.
    TEMPELHERR.
    Nun ja; ergründet nur!

    (Ich will doch sehn, wie der ergründet!) - Nun?
    KLOSTERBRUDER. Das Kürzste wird wohl sein, daß ich dem Herrn Ganz gradezu des Patriarchen Wunsch
    Eröffne.
    TEMPELHERR. Wohl!
    KLOSTERBRUDER. Er hätte durch den Herrn

    Ein Briefchen gern bestellt.
    TEMPELHERR.
    Durch mich? Ich bin

    Kein Bote. - Das, das wäre das Geschäft,

    Das weit glorreicher sei, als Judenmädchen

    Dem Feu’r entreißen?
    KLOSTERBRUDER. Muß doch wohl! Denn - sagt

    Der Patriarch - an diesem Briefchen sei
    Der
    ganzen
    Christenheit sehr viel gelegen.

    Dies Briefchen wohl bestellt zu haben, - sagt

    Der Patriarch, - werd einst im Himmel Gott

    Mit einer ganz

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