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Nathan der Weise

Nathan der Weise

Titel: Nathan der Weise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Textausgabe + Lektüreschlüssel
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Kopf sich lange zanken,
    Ob Menschenhass, ob Schwermut siegen soll.
    Oft siegt auch keines; und die Phantasie,
    Die in den Streit sich mengt, macht Schwärmer,
    Bei welchen bald der Kopf das Herz, und bald
    Das Herz den Kopf muss spielen. – Schlimmer Tausch! –
    Das Letztere, verkenn ich Recha nicht,
    Ist Rechas Fall: sie schwärmt.
    140
    DAJA .                                                Allein so fromm,
    So liebenswürdig!
    NATHAN .                      Ist doch auch geschwärmt!
    DAJA . Vornehmlich Eine – Grille , wenn Ihr wollt,
    Ist ihr sehr wert. Es sei ihr Tempelherr
    Kein irdischer und keines irdischen;
    Der Engel einer, deren Schutze sich
    Ihr kleines Herz, von Kindheit auf, so gern
    Vertrauet glaubte, sei aus seiner Wolke,
    In die er sonst verhüllt, auch noch im Feuer,
    Um sie geschwebt, mit eins als Tempelherr
    150
    Hervorgetreten. – Lächelt nicht! – Wer weiß?
    Lasst lächelnd wenigstens ihr einen Wahn,
    In dem sich Jud’ und Christ und Muselmann
    Vereinigen; – so einen süßen Wahn!
    NATHAN . Auch mir so süß! – Geh, wackre Daja, geh;
    Sieh, was sie macht; ob ich sie sprechen kann. –
    Sodann such ich den wilden, launigen
    Schutzengel auf. Und wenn ihm noch beliebt,
    Hiernieden unter uns zu wallen ; noch
    Beliebt, so ungesittet Ritterschaft
    160
    Zu treiben: find ich ihn gewiss; und bring
    Ihn her.
    DAJA .         Ihr unternehmet viel.
    NATHAN .                                          Macht dann
    Der süße Wahn der süßern Wahrheit Platz: –
    Denn, Daja, glaube mir; dem Menschen ist
    Ein Mensch noch immer lieber, als ein Engel –
    So wirst du doch auf mich, auf mich nicht zürnen,
    Die Engelschwärmerin geheilt zu sehn?
    DAJA . Ihr seid so gut, und seid zugleich so schlimm!
    Ich geh! – Doch hört! doch seht! – Da kommt sie selbst.
Zweiter Auftritt
    RECHA
und die
VORIGEN .
    RECHA . So seid Ihr es doch ganz und gar, mein Vater?
    170
    Ich glaubt, Ihr hättet Eure Stimme nur
    Vorausgeschickt. Wo bleibt Ihr? Was für Berge,
    Für Wüsten, was für Ströme trennen uns
    Denn noch? Ihr atmet Wand an Wand mit ihr,
    Und eilt nicht, Eure Recha zu umarmen?
    Die arme Recha, die indes verbrannte! –
    Fast, fast verbrannte! Fast nur. Schaudert nicht!
    Es ist ein garst’ger Tod, verbrennen. O!
    NATHAN . Mein Kind! mein liebes Kind!
    RECHA .                                                         Ihr musstet über
    Den Euphrat, Tigris, Jordan; über – wer
    180
    Weiß was für Wasser all? – Wie oft hab ich
    Um Euch gezittert, eh das Feuer mir
    So nahe kam! Denn seit das Feuer mir
    So nahe kam: dünkt mich im Wasser sterben
    Erquickung, Labsal, Rettung. – Doch Ihr seid
    Ja nicht ertrunken: ich, ich bin ja nicht
    Verbrannt. Wie wollen wir uns freun, und Gott,
    Gott loben! Er, er trug Euch und den Nachen
    Auf Flügeln seiner
unsichtbaren
Engel
    Die ungetreuen Ström’ hinüber. Er,
    190
    Er winkte meinem Engel, dass er
sichtbar
    Auf seinem weißen Fittiche, mich durch
    Das Feuer trüge –
    NATHAN .                      (Weißem Fittiche!
    Ja, ja! der weiße vorgespreizte Mantel
    Des Tempelherrn.)
    RECHA .                           Er sichtbar, sichtbar mich
    Durchs Feuer trüg, von seinem Fittiche
    Verweht. – Ich also, ich hab einen Engel
    Von Angesicht zu Angesicht gesehn;
    Und
meinen
Engel.
    NATHAN .                        Recha wär es wert;
    Und würd an ihm nichts Schönres sehn, als er
    An ihr.
    RECHA
(lächelnd)
.
    200
                        Wem schmeichelt Ihr, mein Vater? wem?
    Dem Engel, oder Euch?
    NATHAN .                                Doch hätt auch nur
    Ein Mensch – ein Mensch, wie die Natur sie täglich
    Gewährt, dir diesen Dienst erzeigt; er müsste
    Für dich ein Engel sein. Er müsst und würde.
    RECHA . Nicht so ein Engel; nein! ein wirklicher;
    Es war gewiss ein wirklicher! – Habt Ihr,
    Ihr selbst die Möglichkeit, dass Engel sind,
    Dass Gott zum Besten derer, die ihn lieben,
    Auch Wunder könne tun, mich nicht gelehrt?
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    Ich lieb ihn ja.
    NATHAN .                Und er liebt dich; und tut
    Für dich, und deinesgleichen, stündlich Wunder;
    Ja, hat sie schon von aller Ewigkeit
    Für euch getan.
    RECHA .                    Das hör ich

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