Nathan der Weise
Kopf sich lange zanken,
Ob Menschenhass, ob Schwermut siegen soll.
Oft siegt auch keines; und die Phantasie,
Die in den Streit sich mengt, macht Schwärmer,
Bei welchen bald der Kopf das Herz, und bald
Das Herz den Kopf muss spielen. – Schlimmer Tausch! –
Das Letztere, verkenn ich Recha nicht,
Ist Rechas Fall: sie schwärmt.
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DAJA . Allein so fromm,
So liebenswürdig!
NATHAN . Ist doch auch geschwärmt!
DAJA . Vornehmlich Eine – Grille , wenn Ihr wollt,
Ist ihr sehr wert. Es sei ihr Tempelherr
Kein irdischer und keines irdischen;
Der Engel einer, deren Schutze sich
Ihr kleines Herz, von Kindheit auf, so gern
Vertrauet glaubte, sei aus seiner Wolke,
In die er sonst verhüllt, auch noch im Feuer,
Um sie geschwebt, mit eins als Tempelherr
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Hervorgetreten. – Lächelt nicht! – Wer weiß?
Lasst lächelnd wenigstens ihr einen Wahn,
In dem sich Jud’ und Christ und Muselmann
Vereinigen; – so einen süßen Wahn!
NATHAN . Auch mir so süß! – Geh, wackre Daja, geh;
Sieh, was sie macht; ob ich sie sprechen kann. –
Sodann such ich den wilden, launigen
Schutzengel auf. Und wenn ihm noch beliebt,
Hiernieden unter uns zu wallen ; noch
Beliebt, so ungesittet Ritterschaft
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Zu treiben: find ich ihn gewiss; und bring
Ihn her.
DAJA . Ihr unternehmet viel.
NATHAN . Macht dann
Der süße Wahn der süßern Wahrheit Platz: –
Denn, Daja, glaube mir; dem Menschen ist
Ein Mensch noch immer lieber, als ein Engel –
So wirst du doch auf mich, auf mich nicht zürnen,
Die Engelschwärmerin geheilt zu sehn?
DAJA . Ihr seid so gut, und seid zugleich so schlimm!
Ich geh! – Doch hört! doch seht! – Da kommt sie selbst.
Zweiter Auftritt
RECHA
und die
VORIGEN .
RECHA . So seid Ihr es doch ganz und gar, mein Vater?
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Ich glaubt, Ihr hättet Eure Stimme nur
Vorausgeschickt. Wo bleibt Ihr? Was für Berge,
Für Wüsten, was für Ströme trennen uns
Denn noch? Ihr atmet Wand an Wand mit ihr,
Und eilt nicht, Eure Recha zu umarmen?
Die arme Recha, die indes verbrannte! –
Fast, fast verbrannte! Fast nur. Schaudert nicht!
Es ist ein garst’ger Tod, verbrennen. O!
NATHAN . Mein Kind! mein liebes Kind!
RECHA . Ihr musstet über
Den Euphrat, Tigris, Jordan; über – wer
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Weiß was für Wasser all? – Wie oft hab ich
Um Euch gezittert, eh das Feuer mir
So nahe kam! Denn seit das Feuer mir
So nahe kam: dünkt mich im Wasser sterben
Erquickung, Labsal, Rettung. – Doch Ihr seid
Ja nicht ertrunken: ich, ich bin ja nicht
Verbrannt. Wie wollen wir uns freun, und Gott,
Gott loben! Er, er trug Euch und den Nachen
Auf Flügeln seiner
unsichtbaren
Engel
Die ungetreuen Ström’ hinüber. Er,
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Er winkte meinem Engel, dass er
sichtbar
Auf seinem weißen Fittiche, mich durch
Das Feuer trüge –
NATHAN . (Weißem Fittiche!
Ja, ja! der weiße vorgespreizte Mantel
Des Tempelherrn.)
RECHA . Er sichtbar, sichtbar mich
Durchs Feuer trüg, von seinem Fittiche
Verweht. – Ich also, ich hab einen Engel
Von Angesicht zu Angesicht gesehn;
Und
meinen
Engel.
NATHAN . Recha wär es wert;
Und würd an ihm nichts Schönres sehn, als er
An ihr.
RECHA
(lächelnd)
.
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Wem schmeichelt Ihr, mein Vater? wem?
Dem Engel, oder Euch?
NATHAN . Doch hätt auch nur
Ein Mensch – ein Mensch, wie die Natur sie täglich
Gewährt, dir diesen Dienst erzeigt; er müsste
Für dich ein Engel sein. Er müsst und würde.
RECHA . Nicht so ein Engel; nein! ein wirklicher;
Es war gewiss ein wirklicher! – Habt Ihr,
Ihr selbst die Möglichkeit, dass Engel sind,
Dass Gott zum Besten derer, die ihn lieben,
Auch Wunder könne tun, mich nicht gelehrt?
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Ich lieb ihn ja.
NATHAN . Und er liebt dich; und tut
Für dich, und deinesgleichen, stündlich Wunder;
Ja, hat sie schon von aller Ewigkeit
Für euch getan.
RECHA . Das hör ich
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