Nathan der Weise
So hastig? – Warte doch, Al-Hafi.
Entläuft dir denn die Wüste? – Warte doch! –
Dass er mich hörte! – He, Al-Hafi! hier! –
Weg ist er; und ich hätt ihn noch so gern
Nach unserm Tempelherrn gefragt. Vermutlich,
Dass er ihn kennt.
Vierter Auftritt
DAJA
eilig herbei
. NATHAN .
DAJA . O Nathan, Nathan!
NATHAN . Nun?
Was gibt’s?
DAJA . Er lässt sich wieder sehn! Er lässt
Sich wieder sehn!
NATHAN . Wer, Daja? wer?
DAJA . Er! er!
NATHAN .
Er? Er? – Wann lässt sich der nicht sehn! – Ja so,
Nur euer Er heißt er. – Das sollt er nicht!
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Und wenn er auch ein Engel wäre, nicht!
DAJA . Er wandelt untern Palmen wieder auf
Und ab; und bricht von Zeit zu Zeit sich Datteln.
NATHAN . Sie essend? – und als Tempelherr?
DAJA . Was quält
Ihr mich? – Ihr gierig Aug’ erriet ihn hinter
Den dicht verschränkten Palmen schon; und folgt
Ihm unverrückt. Sie lässt Euch bitten, – Euch
Beschwören, – ungesäumt ihn anzugehn.
O eilt! Sie wird Euch aus dem Fenster winken,
Ob er hinauf geht oder weiter ab
Sich schlägt. O eilt!
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NATHAN . So wie ich vom Kamele
Gestiegen? – Schickt sich das? – Geh, eile du
Ihm zu; und meld ihm meine Wiederkunft.
Gib Acht, der Biedermann hat nur mein Haus
In meinem Absein nicht betreten wollen;
Und kömmt nicht ungern, wenn der Vater selbst
Ihn laden lässt. Geh, sag, ich lass ihn bitten,
Ihn herzlich bitten …
DAJA . All umsonst! Er kömmt
Euch nicht. – Denn kurz; er kömmt zu keinem Juden.
NATHAN . So geh, geh wenigstens ihn anzuhalten;
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Ihn wenigstens mit deinen Augen zu
Begleiten. – Geh, ich komme gleich dir nach.
(Nathan eilet hinein, und Daja heraus.)
Fünfter Auftritt
Szene: ein Platz mit Palmen,
unter welchen der
TEMPELHERR
auf und nieder geht. Ein
KLOSTERBRUDER
folgt ihm in einiger Entfernung von der Seite, immer als ob er ihn anreden wolle
.
TEMPELHERR .
Der folgt mir nicht vor langer Weile! – Sieh,
Wie schielt er nach den Händen! – Guter Bruder, …
Ich kann Euch auch wohl Vater nennen; nicht?
KLOSTERBRUDER .
Nur Bruder – Laienbruder nur; zu dienen.
TEMPELHERR . Ja, guter Bruder, wer nur selbst was hätte!
Bei Gott! bei Gott! ich habe nichts –
KLOSTERBRUDER . Und doch
Recht warmen Dank! Gott geb’ Euch tausendfach,
Was Ihr gern geben wolltet. Denn der Wille
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Und nicht die Gabe macht den Geber. – Auch
Ward ich dem Herrn Almosens wegen gar
Nicht nachgeschickt.
TEMPELHERR . Doch aber nachgeschickt?
KLOSTERBRUDER . Ja; aus dem Kloster.
TEMPELHERR . Wo ich eben jetzt
Ein kleines Pilgermahl zu finden hoffte?
KLOSTERBRUDER .
Die Tische waren schon besetzt; komm’ aber
Der Herr nur wieder mit zurück.
TEMPELHERR . Wozu?
Ich habe Fleisch wohl lange nicht gegessen:
Allein was tut’s? Die Datteln sind ja reif.
KLOSTERBRUDER .
Nehm’ sich der Herr in Acht mit dieser Frucht.
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Zu viel genossen taugt sie nicht; verstopft
Die Milz; macht melancholisches Geblüt.
TEMPELHERR .
Wenn ich nun melancholisch gern mich fühlte? –
Doch dieser Warnung wegen wurdet Ihr
Mir doch nicht nachgeschickt?
KLOSTERBRUDER . O nein! – Ich soll
Mich nur nach Euch erkunden; auf den Zahn
Euch fühlen.
TEMPELHERR . Und das sagt Ihr mir so selbst?
KLOSTERBRUDER . Warum nicht?
TEMPELHERR . (Ein verschmitzter Bruder!) – Hat
Das Kloster Euresgleichen mehr?
KLOSTERBRUDER . Weiß nicht.
Ich muss gehorchen, lieber Herr.
TEMPELHERR .
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