Nathan der Weise
(1748–55) freier Mitarbeiter, Autor und Redakteur im Feuilletonteil der
Vossischen Zeitung
, die als Blatt des gebildeten Bürgertums gilt. Zwischenzeitlich legt er in Wittenberg das Magister-Examen an der Fakultät der freien Künste ab, macht aber keinen Gebrauch von dem akademischen Titel.
Auf Berlin, das von dem jungen Preußen-König Friedrich II. geprägt wird und das ein Zentrum der deutschen Aufklärungsbewegung ist, setzt Lessing. Doch er findet keinen Zugang zum König und auch nicht zu dem großen französischen Aufklärer Voltaire, der beim König zu Gast ist. Dagegen hat er Freunde, Gesprächs- und Diskussionspartner in dem Verleger und Schriftsteller Christoph Friedrich Nicolai, dem jüdischen Philosophen Moses Mendelsohn, einem der wichtigsten Vertreter der deutschen Aufklärung, und in Ewald von Kleist, einem preußischen Major und Dichter. In der Berliner Zeit entsteht das bürgerliche Trauerspiel
Miss Sara Sampson
, das 1755 in Frankfurt/Oder uraufgeführt wird, einen neuen Dramentyp begründet und eine »neue Ära realistischer Schauspielkunst in Deutschland« 25 eröffnet.
Im Oktober 1755 ist Lessing wieder in Leipzig. Er hat Aussicht auf eine Stelle als Reisebegleiter eines reichen Schweizers. Doch das Projekt zerschlägt sich ebenso wie ein anderes, bei dem er einen reichen Leipziger Patriziersohn auf einer mehrjährigen Bildungsreise durch Europa begleiten sollte. Der Siebenjährige Krieg macht Europa zu einem Krisengebiet. Unverrichteter Dinge kehrt Lessing 1758 nach Berlin zurück. Dramen und Dramenentwürfe entstehen. Wichtiger werden die
Briefe, die neueste Literatur betreffend
, seit 1759 herausgegeben von Lessing, Mendelsohn und Nicolai. Aus der Folge von 333 Briefen stammen 55 von Lessing und von diesen hat der 17. Literaturbrief Epoche gemacht. In ihm wird mit Gottsched und dem von diesem als Muster gepriesenen französischen klassizistischen Theater abgerechnet; verwiesen wird auf Shakespeare und dessen Dramen- und Theaterkonzeption. Damit war ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel der deutschen Theater- und Literaturgeschichte eingeleitet.
Wahrscheinlich von Ewald von Kleist vermittelt, erhält Lessing im Siebenjährigen Krieg eine Stelle als Gouvernementssekretär bei dem preußischen General von Tauentzien in Breslau. Der Dienst mag ungewohnt sein, lässt aber viel Zeit für gelehrte Studien, für gesellige Runden, für Glücksspiele – und garantiert ein angemessenes Auskommen, das ihm sogar erlaubt, in den insgesamt fünf Breslauer Jahren 6000 Bücher anzuschaffen, die er später, als er wieder in Finanznot gerät, versteigern muss.
Nach dem Friedensschluss von Hubertusburg (1763) verliert Lessing seine Stelle in der Armee, wird in Berlin nicht gebraucht und wendet sich Hamburg zu. In Hamburg wird jene Epoche machende ernste Komödie vollendet, die ihren Stoff aus der unmittelbaren Gegenwart des Siebenjährigen Krieges nimmt und deren Pläne in der Breslauer Zeit entstanden:
Minna von Barnhelm oder Das Soldatenglück
.
Hamburg, das abseits der kriegerischen Auseinandersetzungen gelegen hatte, war als Bürgerrepublik mit seinen weltoffenen Kaufleuten, seinen Gelehrten, Theologen, Literaten und Schulmännern attraktiv. Hamburger Handelsherren hatten sich vorgenommen, aus dem Schauspielhaus am Gänsemarkt ein Deutsches Nationaltheater zu machen. Lessing wird als Dramaturg und hauseigener Kritiker gewonnen. Drei Jahre lang verfolgt er kritisch, was und wie am Hamburger Theater gespielt wird. Die 52 Theaterkritiken, die zusammengefasst unter dem Titel
Hamburgische Dramaturgie
herausgegeben wurden, können als eine allgemeine Poetik des europäischen Dramas der Zeit angesehen werden. Wie in Berlin so findet er auch in Hamburg viele Kontakte: so mit den Dichtern Klopstock und Matthias Claudius, den Schauspielern Konrad Ekhof und Friedrich Ludwig Schröder, aber auch mit Theologen, so mit dem Hauptpastor Johann Melchior Goeze. Gute Freunde findet er in Dr. Johann Albert Hinrich Reimarus und seiner Schwester Margarethe Elisabeth; es sind die Kinder des Theologen, Philosophen, Philologen und Zoologen Hermann Samuel Reimarus, dessen Schriften Lessings weiteren Lebensweg noch beeinflussen sollten. Mit einem Partner versucht sich Lessing als Verlagsbuchhändler, scheitert mit dem Unternehmen jedoch kläglich. 1770 quittiert er seinen Dienst als Dramaturg in Hamburg. Die Trennung von Hamburg fällt schwer, wenn auch die angebotene Stelle eines Bibliothekars in Wolfenbüttel, dem
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