Natur
wurde. Wenn auch die Kenntnisse über die «Hängenden Gärten der Semiramis» sehr spekulativ sind, so finden sich doch Darstellungen von Gärten schon bei den Ägyptern, Griechen und Römern, später dann im Mittelalter und in die Neuzeit hinein.
Zur Zeit der Lebensreformbewegung Endedes 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts hat man nicht bezweifelt, dass es ein Naturbedürfnis gibt. Licht, Luft, Sonne, Wasser und die Schönheit der belebten und unbelebten Natur zu erfahren, sahen die Lebensreformer als elementares Grundbedürfnis an (Baumgartner, 2001).
Abbildung 1-1: Gärten im alten Ägypten ( http://www.freebase.com/view/en/tomb_of_nebamun ; 20.06.2010))
Heute erklärt man das Bedürfnis nach Natur mit der Naturferne des Menschen, dessen Alltagsleben sich weit überwiegend Natur fern in Innenräumen, Gebäuden und Städten abspielt.
Möglicherweise reicht sogar schon die Andeutung von Natur oder eine «Geste der Natürlichkeit» (Böhme, 1992), um das Bedürfnis nach Natur zu stillen, das der zivilisierte Mensch wegen seiner vorgeblichen Naturferne hat. Diese Geste kann z. B. ein Landschaftsbild im Wohnzimmer, ein Blumenstrauß auf dem Tisch, eine Pflanze auf der Fensterbank oder ein Streifen künstlicher Rasen mit kleinen eingestreuten Plastikblumen auf dem Armaturenbrett des Autos sein.
Abbildung 1-2: Gesten der Natürlichkeit (eigene Fotos)
Auch wenn man ein Naturbedürfnis unterstellt, so ist damit noch nicht geklärt, ob dieses genetisch verankert ist oder ob es die positiven Erfahrungen mit der Natur sind, die das Naturbedürfnis hervor gebracht haben. Weil der Mensch ein weniger von Instinkten gesteuertes, stattdessen ein lernfähiges und auch lernbedürftiges Wesen ist, spricht einiges dafür, dass das Bedürfnis nach Natur erworben wird. Ausgehend von der Lerntheorie kann man sich den Erwerb folgendermaßen vorstellen: Das Aufsuchen von grüner Natur wird durch die unmittelbar erlebten positiven Konsequenzen bekräftigt. Man fühlt sich nach dem Ausflug in die Natur wohler als vorher, man ist erholt und entspannt. Und man beobachtet, dass andere Menschen in die Natur streben, in den Stadtpark gehen oder am Wochenende ins Grüne fahren. Nicht nur das Verhaltenwird dabei nachgeahmt, sondern es werden auch noch die Begründungen, Argumente und Bewertungen der anderen übernommen. Beide Lernformen, das instrumentelle Lernen und das soziale Lernen, sind bei der Herausbildung von Bedürfnissen beteiligt.
Menschen messen der Natur Bedeutungen bei, die andere ihr verleihen. Wenn die Natur Bedeutungen hat, dann liegt das nach Ansicht von Knopf (1987) daran, dass die Gesellschaft uns gelehrt hat, ihr Bedeutungen zuzuschreiben. Für die Menschen in den höher zivilisierten Gesellschaften bekommt Natur die Bedeutung einer «Gegenwelt», die mit Ursprünglichkeit, Unverfälschtheit und «Natürlichkeit» assoziiert wird (Wohlwill, 1983; Gebhard, 2001).
Es liegt damit auf der Hand, dass bei einer Betrachtung der Natur aus psychologischer Sicht nicht allein die physische Natur gemeint sein kann. Es sind vielmehr auch die Vorstellungen und Idealbilder von Natur zu untersuchen. Im Unterschied zu den Naturwissenschaften, die die objektiven, unabhängig vom Menschen existierenden Naturphänomene erforschen, kommt bei einer psychologischen Betrachtung der Mensch als Natur Erlebender, als ein auf Natur Reagierender und ein in der Natur Handelnder ins Spiel. Grundlegende Fragen sind, wie Menschen Natur und Landschaft erleben und wie sie sich gegenüber der Natur verhalten. Weil Menschen sowohl in ihren Eigenschaften als auch in ihren Wahrnehmungen, Motiven und Absichten sehr unterschiedlich sind und weil die Natur diverse Erscheinungsformen und Größenordnungen umfasst - sie kann ein Element wie ein Blütenblatt oder eine weite Naturlandschaft sein -, ergibt sich zwangsläufig eine enorme Vielfalt an Mensch-Natur-Beziehungen. Umweltpsychologische Konzepte sind hier von Nutzen, weil sie Ansatzpunkte liefern, diese Vielfalt zu ordnen.
Der Mensch nimmt die Natur wahr und zwar mit allen Sinnen, er reagiert gefühlsmäßig auf Landschaften und Naturphänomene, er eignet sich die Natur an, indem er die natürlichen Ressourcen nutzt und seine Umwelt verändert und «kultiviert». Dass auch die Natur den Menschen beeinflusst, steht außer Frage. Doch sie steigert nicht nur sein Wohlbefinden, sie kann ihn - man denke an Naturkatastrophen - auch vernichten.
Zu einer «Naturpsychologie» gehört im Übrigen nicht nur die
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