Naturgeschichte(n)
Flachwasser bis in einen Meter Tiefe für sich, die Blesshühner das sich anschließende, so tief sie eben tauchen können. Das wäre zwar für die Theorie perfekt, aber sie scheitert in der Praxis. Die Blesshühner nutzen zuerst auch lieber die flacheren Bereiche, die für sie weniger Aufwand bedeuten und fressen auf diese Weise den Schwänen ganz erhebliche Teile der Nahrung weg, die diese erreichen könnten. Die Kleinen sind flink genug, um von den Schnabelhieben der Großen nicht erwischt zu werden. So bleibt schließlich den » mächtigen« Schwänen weit weniger, als sie ohne die Blesshühner hätten. Diese verlieren zwar auch durch die Anwesenheit der großen weißen Konkurrenz, aber weit weniger, als jene umgekehrt an Einbußen hinnehmen müssen. Auf diese Weise regulieren die kleinen Blesshühner den Bestand der großen Schwäne, denn über den winterlichen Nahrungsengpass entscheidet sich, wer überlebt und wie viele Schwanenpaare im nächsten Frühjahr brüten können.
Ein Hinweis dazu in eigener Sache: Die Menschheitsentwicklung wurde ganz sicher niemals von Raubtieren beeinflusst, während wir umgekehrt diesen nicht selten so viel Beute wegnahmen, dass sie nicht überleben konnten. Und es waren und sind die Kleinsten, die Krankheitserreger, die die meisten Toten forderten, und nicht die viel auffälligeren Millionen Toten unserer schier endlosen Reihe von Kriegen.
Das Bambi
und das wilde Schwein
Wie geht es eigentlich dem Wald?
Das Waldsterben verging, der Waldschaden blieb. Als Hauptverursacher wurde das » Schalenwild« dingfest gemacht. Die Wälder sagen nichts dazu. Sie schweigen wie immer, außer es ist Herbst und die brunftigen Hirsche röhren. Kaum noch jemand versteht, was mit unseren Wäldern los ist. Dabei stellte doch die Bayerische Staatsregierung in nicht mehr zu überbietender Kürze klar: » Wald vor Wild«. Setzte sich in dieser Festlegung eine ökologische Einsicht durch?
In dieser Frage steckt so viel politischer Sprengstoff, dass jeder, der versucht, sie zu beantworten, sich fast nur Feinde schaffen kann. Echte Neutralität gibt es nicht, wenn alle Beteiligten alles für sich beanspruchen. Dann lebt es sich im Großstadtdschungel leichter, vor allem für die Hauptbeteiligten, das Schalenwild.
Was mit » Schalenwild« gemeint ist, verdient einen klärenden Blick: Unter dieser Bezeichnung werden Rehe und die verschiedenen Arten von Hirschen zusammengefasst und mit dem Wildschwein vereinigt. Weil alle diese Tiere gespaltene Hufe tragen. Das ist es aber auch schon, was die » Hirschartigen«, zu denen die Rehe ebenfalls gehören, mit den Schweinen verbindet. Gut, Säugetiere sind sie alle, wie wir auch.
Dieses Schalenwild verursacht Schäden in Wald und Flur. Die Jagdpächter müssen diesen Wildschaden bezahlen, aber nur den Landwirten, nicht den Waldbesitzern. Denn nach gängiger Sicht gehören Wald und Wild zusammen. Flur und Wild anscheinend nicht. Da das Schalenwild im Wald schält (und wühlt, im Fall der Wildschweine), klingt der Waldschaden im Wort bereits an.
Reh und Hirsch würden sich zu freundlich anhören, um sie einfach und direkt zum Schädling zu machen, schließlich denkt man sofort an » Bambi«. Doch Bambi ist weder Reh, auch wenn es so niedlich wie ein Rehlein aussieht, noch ein kleiner Rothirsch, wie unser Hirsch eigentlich richtig heißt. Die Jäger nennen Hirsche Rotwild und verwirren uns damit. Dafür bringen sie in ihrer Sprache Geweih und Gehörn durcheinander. Ersteres trägt der Rothirsch, Letzteres der Rehbock, auf dessen Kopf es dennoch ein Geweih bleibt, weil das Reh nichts mit Kühen, Schafen und Ziegen zu tun hat, die Hörner tragen. Die Verwicklungen ließen sich mühelos weiterspinnen (bis zum Spinnen).
Deshalb zurück zu Bambi. Erfunden hat es, wie Micky Maus und Donald Duck, Walt Disney. Das wirkliche Vorbild war der amerikanische Weißwedelhirsch. Der darf seither ohne Weiteres in vielen Vorgärten und städtischen Freianlagen in Nordamerika Asyl suchen, wenn die Jagd beginnt. Ist sie vorüber, begeben sich Bambis Verwandte wieder hinaus in die Wälder und Fluren. In Alaska machen es die Elche ganz ähnlich. Da steht dann plötzlich ein gewaltiger Elch vor dem Fenster, tritt unschlüssig von einem Bein aufs andere, so als ob er überlegen würde, ob er doch gleich ins Wohnzimmer kommt oder lieber draußen bleibt. Von Verkehrsregeln hält er nicht viel, von Autos noch weniger und so schufen die » Hirsche im Vorgarten« neue Jobs für Ranger,
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