Naturgeschichte(n)
alten. Es ist der Mensch, der sich selbst, seine Familie und sein Haus erhalten möchte und sich deshalb nach besten Kräften gegen den Strom der Zeit stemmt. Doch niemand kann sie anhalten, das Altern verhindern und Veränderungen vorhersagen oder gar aufhalten.
Bei der Nutzung der Wasserpflanzen als Nahrung sind die kleinen Blesshühner den großen Schwänen überlegen.
Das Werden verträgt sich nicht mit einem fest gefügten Haus. Das Sein ist vergänglich. Doch die Ökologie tut so, als ob ihre Befunde Bestand hätten, weil die Natur, die sie untersucht, beständig genug wäre. Das kann für menschliche Zeitspannen so sein, muss es aber nicht. Die Vorstellung, die Erde auf einen bestimmten Zustand festlegen zu wollen, ist in doppelter Weise absurd. Erstens weil von Natur aus nichts von Dauer ist, und zweitens weil wir in unserer grenzenlosen Überheblichkeit annehmen, wir würden den besten Zustand kennen.
Deswegen ist es nicht weit her mit dem Gleichgewicht im Haushalt der Natur. Das zeigt die Praxis. Jäger verstehen das Gleichgewicht anders als Naturschützer und wollen möglichst viel Jagdwild, aber nur ganz wenige, am besten gar keine Raubtiere. Angler und Fischer sehen im Kormoran eine schlimme Veränderung des Gewässerhaushalts, der aus ihrer Sicht zuallererst Fische für den Fang produzieren soll und in dem auf den Fischräuber Kormoran zu verzichten ist. Es gab ihn dank der Ausrottung im 19 . Jahrhundert ja bereits rund 100 Jahre in weiten Teilen Europas nicht mehr. Der Landwirt hält den Naturhaushalt für richtig eingestellt, wenn mit einem Übermaß an Düngung maximale Ernten erzielt werden, die Städter, wenn auf dem Land überall bunte Blumen blühen, und die Vögel singen. Und so weiter und so fort. Es gibt so viele richtige Gleichgewichte im Naturhaushalt, wie sie gedacht werden können. Was nicht konkret existiert und folglich auch nicht messbar ist, lässt sich beliebig auslegen.
Andere Konzepte der Ökologie beruhen auf einem solideren Fundament. Die Konkurrenz in der Natur ist eines davon. Es ist grundsätzlich richtig, dass die verschiedenen Arten ganz gut nachvollziehbar einander so weit ausweichen, dass sie mit- oder nebeneinander leben können. Zwar leitet sich das Konzept der » Ökologischen Nische« auch von der Haeckel’schen Vorstellung des Hauses ab, aber es war von vornherein nicht starr auf einen bestimmten Ort, einen Raum oder ein Zimmer, ausgerichtet. Dass sich das Verhältnis der Arten zueinander in der Natur oft recht schnell und nachhaltig ändern kann, war ja auch nicht zu übersehen. Dennoch hielt sich hartnäckig die Ansicht, bestimmte, weil heimische Arten gehörten hierher und andere nicht, weil sie nicht von hier sind. Auch das ist, abgesehen vom leicht erkennbaren ideologischen Hintergrund, eine typisch statische Sicht, die sich mit der Dynamik der Natur nicht verträgt.
Den offensichtlichsten Gegenbeweis lieferten die Tiere und Pflanzen, die sich in den Städten ansiedelten. Viele Arten waren und sind eben nicht so fest an bestimmte Lebensbedingungen gebunden, dass sie nur dort und nirgends sonst hingehörten. Sogar die wissenschaftliche Ökologie musste lernen, die Wahl der Lebewesen zu respektieren, auch wenn sie ihr nicht ins Konzept passte. Längst korrigiert ist die Idee vom Überleben – oder gar Recht – des Stärkeren. Darwin selbst hatte es nicht so gemeint, wie es ihm ausgelegt wurde. Tatsächlich entscheidet zumeist weniger die Stärke, wer in der Konkurrenz gewinnt, sondern mehr die Art des Vorgehens.
Ein einfaches, leicht zu beobachtendes Beispiel kann diese Feststellung verdeutlichen. So sind die großen Höckerschwäne, die bis zu 20 Kilogramm schwer werden, zweifellos den nur etwa ein Kilogramm wiegenden schwarzen Blesshühnern mit der bezeichnend weißen Stirn an Körperkraft klar überlegen. Wenn aber beide zusammen im Spätherbst und Winter auf flachen Buchten von Seen und Stauseen die unter Wasser wachsenden Pflanzen abweiden, sind die großen Schwäne im Nachteil. Denn zum Hinabtauchen in größere Tiefen sind sie zu schwer. Ihr Hals reicht nur etwa einen Meter hinab. Sind Wasserpflanzen in noch größerer Tiefe vorhanden, kommen die Schwäne nicht an sie heran. Die viel kleineren Blesshühner dagegen erreichen bis zu drei Meter Tiefe dank ihrer Kleinheit und ihrer Tauchkünste.
Nun könnte man daraus schließen, die kleinen Blesshühner und die großen Schwäne teilten sich einfach den Lebensraum auf. Die Schwäne hätten das
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