Navy SEALS - Tyler, S: Navy SEALS
noch liebte.
Heute war Kaylees Leben ganz anders. Sie war zu einer kalten, unbarmherzigen Reporterin geworden, die verdeckt recherchierte und sowohl respektiert als auch gefürchtet war. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, das war ihr Motto.
Sie schaltete ihre Gefühle selbst dann aus, wenn es um Aaron ging. Ihre erste Liebe. Ihr erstes Ein und Alles. Aber die meisten dieser Gefühle pendelten ohnehin nur zwischen Nostalgie und Hass.
»Ich bin ihm in Afrika begegnet«, sagte Nick. Seine raue Stimme glitt Kaylee wie ein Streicheln über den Rücken. So war es auch schon während ihres Telefonats am Nachmittag gewesen. Aber in der direkten Begegnung fühlte es sich noch viel besser an.
»Ich weiß. Im Kongo«, erwiderte sie. Wenn es ihn überraschte, dass sie das wusste, dann ließ er es sich nicht anmerken. Das hatte sie auch nicht erwartet, aber gerade, als sie sich fragte, ob es irgendetwas geben mochte, das seine Schale knacken konnte, schluckte er hart und rieb sich mit zwei Fingern über die Kehle, während er in den Nachthimmel hinaufblickte, als durchlebe er noch einmal jene Zeit in Afrika.
»Aaron hat mir das Leben gerettet.«
»Die Liste mit Namen von Männern, die er mir hinterlassen hat … er sagte, er hätte allen das Leben gerettet. Nur Ihnen nicht.«
Nick sah sie mit erhobenen Brauen und abwartend an. Nur scheinbar geduldig, denn tatsächlich ging seine Ungeduld wie in Wellen von ihm aus.
»Er sagte, Sie seien auch ohne seine Hilfe klargekommen«, fuhr sie fort. »Ist das wahr?«
»Sie erwarten von mir eine hundertprozentig korrekte Beurteilung von etwas, das sechs Jahre her ist?«, fragte er mit angespannter Stimme. »Verdammt, ich weiß nicht, was ich darauf antworten soll.«
Er schob die Hände in die Hosentasche. Seine Lederjacke klaffte auf, und Kaylee rechnete fast damit, ein Pistolenhalfter zu sehen.
»Ich versuchte, ihn zu überreden, mit mir zum Hubschrauber zurückzukehren«, erzählte Nick. »Er wollte nicht. Er sagte, für ihn gebe es keinen Weg zurück. Und dann gab er mir das – bat mich, es seinem Mädchen zu geben, wenn sie zu mir käme.«
Kaylee spürte, wie ihr heiße Tränen in die Augen schossen, als Nick eine Hand aus der Tasche zog und ihr ein abgewetztes rundes Abzeichen reichte, ein grob gesticktes schwarzes Symbol auf grauem Grund.
»Das haben Sie die ganze Zeit über aufbewahrt?«, fragte sie.
»Ich halte immer Wort.«
Das war viel mehr, als sie über Aaron sagen konnte. »Als Sie ihn das letzte Mal gesehen haben … wie … wie ging es ihm da?«
»Er war okay. Ich war derjenige, der angeschossen worden war.«
»Er war ein guter Ranger.« Sie brachte es nicht fertig, Mann zu sagen, auch wenn man beim Militär meinte, die beiden Worte seien Synonyme. Sie wusste es besser.
»Das glaube ich Ihnen.« Er nickte knapp.
»Wie sah er aus?«
»Ich weiß nicht, wie er vorher ausgesehen hat. Ich habe keine Vergleichsmöglichkeit.«
Kaylee holte ein Bild aus ihrer Tasche, das Aaron mit ernster Miene zeigte, in voller Uniform, die Rangerausbildung gerade abgeschlossen. An dem Tag, als es aufgenommen worden war – in genau jenem Moment –, hatte Kaylee gewusst, dass es für sie beide der Anfang vom Ende war.
Nick nahm das Foto und betrachtete es. »Das ist er. Seine Haare waren länger. Er hatte einen Bart, und er machte den Eindruck, als sei er durch die Hölle gegangen.«
Sie lehnten sich beide nebeneinander gegen die Mauer des Ziegelbaus, während die Worte Kaylee wie von selbst über die Lippen flossen.
»Ich habe ihn kennengelernt, als wir beide fünfzehn waren. Nach unserer Hochzeit habe ich ihn kaum noch gesehen – erst ging er auf die Ranger School, dann zog er los, um die Welt zu retten. Allen voran «, zitierte sie den Leitspruch der Rangers in sarkastischem Ton.
Nicks Stimme klang völlig nüchtern. »Die Frau eines Soldaten hat es nicht leicht.«
»Das Militär hätte mich mit sechsundzwanzig ohnehin zur Witwe gemacht.« Vor vier Jahren hatte sie von der Armee die Nachricht von Aarons Tod erhalten, dazu seine persönlichen Sachen, darunter den Schlüssel für ein Bankschließfach, in dem sie die Namensliste und Aarons letzte Worte gefunden hatte:
Es tut mir leid.
Ihrer Meinung nach war das nicht annähernd genug.
»Wie lange hatten Sie meinen Namen schon?«, fragte Nick.
»Ich habe das Bankschließfach erst vor zwei Wochen geöffnet. Ich wusste nicht, dass diese Liste darin war.« Ihre Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, aber sie hatte das
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