Neal Asher - Skinner-Der blaue Tod
wollte er den Kapitän einfach nicht fressen. Der hat ihn doch nur einmal am Kopf geschleckt; das war nicht mehr als ein Juckreiz.«
»Wisst ihr noch, was mit Kapitän Gurt passiert ist?«
»O yeah, sie haben nur sein Bein gefunden, nicht wahr?«, fragte Anne und wollte dann noch wissen: »Warum nennt man sie Zahnkarpfen? Ich habe mich das schon immer gefragt.«
Boris wirkte einen Augenblick lang nachdenklich. »Sie sehen ein bisschen nach einem Fisch von der Erde aus, der Karpfen heißt. Dann gab es da diesen Hooper, der eine Frau namens Molly hatte, die immer auf ihn eingekarpft hat.« Boris ignorierte Annes Zucken bei diesen Worten und erzählte unermüdlich weiter: »Er fuhr eines Tages hinaus, sah diesen großen fetten Karpfen und fand, dass er wie seine Frau aussah. Und so sind diese Tiere an den Namen gekommen.«
Die Juniormatrosen verfolgten Boris’ Erläuterungen mit zweifelnder Miene, ehe Pland sie zurück an die Arbeit trieb, jetzt, wo die ganze Aufregung vorbei war. Anne lehnte sich dicht an Boris und murmelte: »Du weißt es eigentlich nicht, oder?«
Boris kratzte sich den Schnurrbart. »Nee, hab keinen Schimmer.«
Peck wählte diesen Augenblick für weiteres Gebrüll. »Da hast du es, Mistvieh!«
Er fuchtelte mit der Faust, aber nach wie vor blieb unklar, auf wen oder was er deutete.
»War seither nie mehr der Alte«, sagte Boris kopfschüttelnd.
»Oh, er wird doch nur manchmal ein bisschen komisch«, sagte Anne. Sie deutete auf die Insel, zu der Ambel sie inzwischen weiterschleppte. »Es sind die Inseln – sie erinnern ihn an die Skinner-Insel. Er fühlt sich in ihrer Nähe nie sicher.«
»Er weiß doch, dass er nicht wieder geschnappt werden kann«, erwiderte Boris und warf einen viel sagenden Blick auf die Kabine des Kapitäns.
»Darum geht es nicht. Es ist nicht logisch, aber er glaubt fest daran, dass es wieder geschehen wird.«
»Na ja, es ist nicht möglich«, beharrte Boris und blickte zu Ambel hinüber, während der Kapitän das Schiff weiterzog.
In Ambels Kabine lag der Kopf des Skinners still in seiner Kiste; still und schweigsam und aufmerksam.
Die verbliebene Hornisse war jetzt seit zwei Tagen unterwegs, und die Schwarmintelligenz hatte nicht mehr mit ihm gesprochen, seit er seine Besorgnis hinsichtlich Erlin geäußert hatte. Ganz trocken hatte ihn die Intelligenz gefragt, was er an Erlins Geschichte so unglaubwürdig fand, und als er das versuchte, wies sie ihn auf alle Indizien hin, die zu der von Erlin geschilderten »Notlage« wiesen. Seitdem war Janer nachdenklich gestimmt und hatte keine weiteren Fragen an die Intelligenz. Und sie hatte auch ihm nur wenig zu sagen. Fast schien es, als herrschte verlegene Sprachlosigkeit zwischen ihnen. Als sie gebrochen wurde, zuckte Janer zusammen, als hätte man ihn geohrfeigt.
»Das ist jetzt mal ein interessanter Anblick«, fand der Schwarm.
»Schwarm, was guckst du dir gerade an?«, fragte Janer, den es verwirrte, dass ihn die Stimme überrascht hatte. Nach einer Pause erfolgte die ausdruckslose Antwort, diesmal ohne das übliche Summen im Hintergrund. Janer wurde klar, dass er deshalb so zusammengefahren war: Das Summen hatte immer eine Übermittlung angekündigt.
»Ich befinde mich auf einem Felsen im Meer. Segel leben darauf«, sagte die Intelligenz.
»Warum bist du dort?«
Lange erfolgte keine Antwort, und Janer fing an, nervös herumzuzappeln, wie er dort an der Reling stand. Er warf einen Blick zu Ron hinauf, der sich ein Fernglas ans Auge hielt, und dann zu Erlin, die vom Segel zum Krähennest hinaufgehoben worden war. Andere Mannschaftsmitglieder gingen an Deck langsam ihren Tätigkeiten nach: Roach, Forlam, eine gedrungene Blondine namens Goss, die Janer immer wieder einladende Blicke zuwarf, und andere, deren Namen er nicht kannte. Janer musterte Goss grüblerisch. Diese Reise wurde allmählich ein wenig langweilig. Vielleicht war es Zeit, ihr mehr Würze zu geben. In genau diesem Augenblick meldete sich die Schwarmintelligenz wieder zu Wort, aber diesmal aufs Neue vom Summen begleitet.
»Blicke nach Norden«, sagte sie.
Janer tat wie geheißen und erblickte ein rotes Glühen, das sich hinter Wolken ausbreitete und wie ein Polarlicht flackerte.
»Was ist das?«
»Eine Antimaterie-Explosion. Der Hüter ist äußerst zurückhaltend, was ihre Ursache angeht«, antwortete die Intelligenz.
»Antimaterie?«
Der Schwarm blieb eine Zeit lang still, ehe er fortfuhr:
»Ich melde mich gleich zurück. Keech ist im
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