Nebel über dem Fluss
Wohnwagenfenster flüchtig die Zielperson gesehen, die sich von links nach rechts durch sein Blickfeld bewegt hatte. Er fluchte leise, als der erwartete Feuerbefehl nicht erfolgte.
»Ich versuche jetzt, zu der Hütte zu kommen«, sagte Resnick.
»Michael«, hatte Lynn gesagt, »warum lassen Sie das nicht mal eine Weile? Setzen Sie sich lieber zu mir und reden Sie mit mir.«
Er hatte gelacht. »Ich bin doch nicht blöd. Glaub bloß nicht, dass ich auf solche alten Tricks reinfalle.«
Lynn hatte mit den Handschellen und der Kette geklappert. »Was kann ich denn schon tun?«
Da kam er dann doch und setzte sich neben sie, misstrauisch, als erwartete er vielleicht zum ersten Mal, dass alles ihneinholen würde. Was in seinem Blick sie angezogen hatte, war verschwunden, verdrängt von der Unsicherheit eines Kindes.
»Sie wollten mir von Nancy erzählen«, sagte Lynn.
Michael rückte näher, bis sein Bein fast das ihre berührte. »Sie war nicht so wie du. Bei jeder Gelegenheit, die sich ihr bot, hat sie gekreischt und geflucht wie verrückt und nach mir getreten. Den Rest der Zeit hat sie nett getan und versucht, sich einzuschleimen. Das Blaue vom Himmel hat sie mir versprochen, wenn ich sie nur gehen lassen würde.« Er lachte. »Sie war an allem, was ihr passiert ist, selber schuld. Ich hatte gar keine andere Wahl.«
»Sie haben sie entführt. Sie haben sie getötet. Wie kann sie da selber schuld sein?«
»Hör auf!« Der Stuhl flog nach rückwärts, als er aufsprang. »Hör auf, so mit mir zu reden. Als hättest du ein Recht dazu. Was bildest du dir eigentlich ein, wer du bist? Ich hab hier das Sagen, ich allein. Es wäre gut, wenn du dir das merken würdest. Hast du mich verstanden?«
»Tut mir leid.«
»Ah ja, das sagst du jetzt. Weil du Angst vor mir bekommen hast. Na, war vielleicht an der Zeit.«
»Es ist mir ernst. Es tut mir leid.«
»Ach ja? Und du erwartest, dass ich dir das glaube? Das sagt ihr immer, ihr alle miteinander, wenn es zu spät ist.«
»Wer alle miteinander, Michael?«, fragte Lynn. »Wen meinen Sie?«
Aber da war es schon zu spät. Er hatte das Geräusch des Hubschraubers gehört, noch fern, aber deutlich näher kommend.
Noch nicht in Stellung an der Hütte, noch um die zwanzig Meter von ihr entfernt, hörte auch Resnick das Brummen und fluchte inbrünstig, als er mit schweren Füßen zu laufenbegann, wütend auf denjenigen, der den verfrühten Befehl gegeben hatte.
Die Tür des Wohnwagens flog auf. Lynn wurde ins Freie gestoßen. Michael war dicht hinter ihr, einen Arm fest um ihren Hals, das Messer mit unruhiger Hand auf ihre Brust gerichtet.
»Polizei«, schrie Resnick halb laufend, halb stolpernd, während über ihnen der Hubschrauber kreiste. »Bewaffnete Polizei«, schallte es verzerrt von oben herunter. »Bleiben Sie stehen. Bleiben Sie stehen.«
Sie rannten. Lynn vertrat sich den Fuß und fiel hin. Michael packte sie am Arm und verlor dabei das Messer. Er wollte ihre Haare zu fassen bekommen und griff ins Leere. Lynn hatte sich wegrollen lassen, so schnell sie konnte, sobald sie den Boden berührte.
Einen Moment lang sah Michael verwirrt um sich und erblickte Resnick, der mit wedelnden Armen auf ihn zulief. Er spürte den starken Luftzug des Hubschraubers, der an seinen Kleidern und seinem Haar riss. Mit einem Ruck machte er kehrt und begann wieder zu rennen, zurück zum Wohnwagen. Der Scharfschütze auf dem Feld hatte sich auf ein Knie erhoben, Michaels Hinterkopf genau im Visier.
»Michael!«
Lynn rief seinen Namen, schrie mit aller Kraft, und er stockte mitten im Lauf und drehte sich zu ihr um. Resnicks fliegender Angriff traf seinen Körper auf halber Höhe, der Kopf stieß in seine Magengrube, der Ellbogen stach hart in seine Brust. Michael bekam keine Luft mehr und stürzte wild um sich schlagend nach rückwärts, von dem röchelnden Resnick so eisern umklammert, dass drei Beamte nötig waren, ihn zu befreien. Sie legten ihm Handschellen an und führten ihn ab.
Erst da drehte Resnick sich nach Lynn um, die auf die Knie gefallen war, und begann zu laufen. Zu laufen, soschnell er konnte. Ohne noch die Tränen zurückzuhalten, ohne innezuhalten, bis er sie endlich schluchzend in seine Arme zog und festhielt, sicher und geborgen, die Tochter, die er nie gehabt hatte, die Geliebte, die sie nie sein würde.
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»Ich will endlich wissen, was los ist!« Gegen Nachmittag hält Dana die Ungewissheit nicht mehr länger aus und geht zur
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