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Die vergessliche Mörderin

Die vergessliche Mörderin

Titel: Die vergessliche Mörderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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    H ercule Poirot saß am Frühstückstisch. Vor ihm stand eine Tasse heißer Schokolade. Dazu aß er eine Brioche. Sie schmeckte hervorragend, und er nickte wohlgefällig. Sie kam aus einer dänischen Patiss e rie, der vierten, die er durchprobiert hatte.
    Poirot war rundherum zufrieden – vielleicht sogar allzu selbstzufrieden. Er hatte sein Magnum Opus, eine Analyse über berühmte Autoren von Kriminalromanen, beendet. Diese literarische Arbeit hatte ihn angeregt, und nun gönnte er sich nach den geistigen Strapazen zunächst eine Erholungspause. Aber man konnte sich nicht immer ausruhen, man musste etwas Neues beginnen. Leider wusste er nicht, was. Eine neue literarische Arbeit? Nein. Um ehrlich zu sein, er langweilte sich. Er war nervös; er hatte schlechte Gewohnheiten angenommen…
    Die Tür öffnete sich, und sein Diener George trat ein. Er hüstelte und murmelte verlegen: »Eine – äh – eine junge Dame möchte Sie sprechen.«
    Poirot betrachtete ihn erstaunt. »Aber ich empfange nie jemand um diese Tageszeit«, sagte er mit leichtem Tadel.
    »Nein, Sir«, stimmte George zu.
    »Ist die junge Dame hübsch?«, fragte Poirot nach kurzem Überlegen.
    »Meiner Meinung nach nein, Sir. Aber über Geschmack lässt sich nicht streiten.«
    »Hat sie gesagt, warum sie mich sprechen möchte?«
    »Sie sagte…« George zögerte und schien sich von vornherein für seine Worte entschuldigen zu wollen, »dass sie Sie wegen eines Mordes sprechen wolle, den sie vielleicht begangen habe.«
    Hercule Poirot zog die Augenbrauen hoch. »Vie l leicht? Ja, weiß sie das denn nicht?«
    »So hat sie sich ausgedrückt, Sir.«
    »Hm… das lässt zwar an Klarheit zu wünschen übrig, könnte aber interessant sein.«
    »Und wenn es – ein Scherz ist, Sir?«
    »Das ist natürlich möglich. Aber ich kann mir kaum vorstellen, dass…« Poirot griff nach der Tasse. »Führen Sie sie in fünf Minuten herein.«
    »Jawohl, Sir.«
    Poirot leerte die Tasse, schob sie fort und stand auf. Er ging zum Kamin und zwirbelte vor dem Spiegel auf dem Sims sorgfältig die Schnurrbartspitzen. Dann kehrte er zufrieden zu seinem Stuhl zurück und wartete auf die Besucherin. Er wusste nicht recht, was für ein Bild er sich von ihr machen sollte…
    Als George sie hereinführte, wurde er bitter enttäuscht. Brr!, dachte er voller Missfallen: Diese Mädchen! Warum versuchen sie nicht wenigstens, was aus sich zu machen? Geschicktes Make-up, gut angezogen, eine erstklassige Frisur – dann könnte die gerade noch angehen. Aber so!
    Sie mochte Anfang zwanzig sein. Langes, strähniges Haar von undefinierbarer Farbe fiel ihr über die Schultern. Die großen ausdruckslosen, ins Leere starrenden Augen waren grünlich blau. Sie trug die Uniform ihrer Generation: schwarze, hohe Stiefel, weiße, durchbrochene Wollstrümpfe von zweifelhafter Sauberkeit, einen engen Rock und einen langen, viel zu weiten, dicken Wollpullover. Jeder in Poirots Alter hätte bei ihrem Anblick nur einen Wunsch verspürt: das Mädchen so schnell wie möglich in die Badewanne zu stecken.
    Er erhob sich höflich wie immer, schüttelte ihr die Hand und rückte ihr einen Stuhl zurecht. »Sie wollten mich sprechen, Mademoiselle? Nehmen Sie doch bitte Platz.«
    »Oh.« Ihre Stimme klang etwas atemlos. Sie starrte ihn an.
    »Eh bien?«
    »Ich glaube, ich – ich möchte lieber stehen«, sagte sie zögernd. Die großen Augen musterten ihn zweifelnd.
    »Wie Sie wünschen.« Poirot setzte sich und betrachtete sie abwartend. Sie trat von einem Fuß auf den anderen, senkte den Blick und richtete ihn dann wieder auf Poirot.
    »Sie – Sie sind Hercule Poirot?«
    »Gewiss. Und wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Oh, wissen Sie, das ist schwierig. Ich meine…«
    Poirot hatte das Gefühl, ihr zu Hilfe kommen zu müssen. »Mein Diener hat mir gesagt, Sie wollten mich sprechen, weil Sie glaubten, dass Sie ›vielleicht einen Mord begangen hätten‹. Habe ich das richtig verstanden?«
    Das Mädchen nickte. »Ja.«
    »Aber wie können Sie darüber im Zweifel sein? Sie müssten doch wissen, ob Sie einen Mord begangen haben oder nicht.«
    »Ach, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Ich meine…«
    »Nun kommen Sie schon«, sagte Poirot freundlich. »Setzen. Sie sich, entspannen Sie sich und erzählen Sie mir alles.«
    »Ich glaube nicht – ach, ich weiß nicht, wie… Es ist alles so kompliziert. Ich hab’s – ich hab’s mir anders überlegt. Ich möchte nicht unhöflich sein, aber – ich

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