Nebelriss
sich das harte Strohlager, auf dem er nachts schreiend erwachte, wenn das Flüstern Tathrils ihn heimsuchte und seine Hände vibrieren ließ, als wären sie nicht Teil seines Körpers … Nhordukael verschränkte die Arme vor der schmalen Brust. »Es gibt nichts auszusetzen«, hörte er sich sagen. »Euer Anblick ist erhaben und Ehrfurcht gebietend, so wie es eines Priesters des Tathril würdig ist.« »Eines Priesters des Tathril würdig …« Magro Fargh lächelte. »Das habt Ihr schön gesagt, Bruder.« Das Gewand rauschte in der Luft, ballte sich pompös; nichts war mehr zu sehen von dem schwachen Körper des Priesters. Ehrfurcht gebietendes Weiß umgab ihn. Die Hand des alten Mannes legte sich auf Nhordukaels Schulter. Nhordukael konnte sie durch den Stoff seiner Kutte zittern spüren. »Und Priester sind wir beide, Nhordukael. Durch meine Hand hast du die Weihe empfangen, durch sie bist du zu Tathril gelangt. Nun soll mich deine stützen, Bruder.«
… jene Hand, die ihm den Kiefer auseinanderdrückte und ihm den Silberstab in den Mund trieb, bis er sein eigenes Blut trinken musste,
›Tathrils Macht ist die Magie, nun lerne sie in seinem Namen zu nutzen‹,
die Kehle schien ihm zu bersten, er wünschte zu ersticken, den Tod zu empfangen, der Stimme zu entfliehen, die ihm befahl, Tathril zu lieben, bis er es aus Verzweiflung tat, bis er Tathril liebte, seinen Gott, seinen Herrn, sein Schicksal; und als er gelernt hatte, ihn zu lieben, ließ Tathril ihm Gnade zuteil werden; half ihm, den Schmerz abzutöten, abzustumpfen, alles zu ertragen; und gab ihm schließlich die Macht über die Magie. Sie wurde sein Gefährte - Tathrils Geschenk, der Lohn für alle Qualen …
Nhordukael schlang seine Arme um Magro Fargh, umfasste den Leib des Greises, der kein Gewicht zu haben schien. Die Seide floss um sie; und wie in einem absurden Tanz schritten sie durch die Tür auf den hellen Gang hinaus. »Schütze uns, Tathril, oh, schütze uns«, flüsterte Magro Fargh, »wenn sie kommen, um uns zu vernichten«, und Nhordukael glaubte Tränen an seinem Hals zu spüren.
Sie hatten versucht, ihn zu betrügen, selbstverständlich vergebens. Allein der Versuch, ihm die Nachricht von der Einberufung des Thronrates verspätet zukommen zu lassen, mutete dilettantisch an: ein kümmerliches Ränkespiel, von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Als ob man einen Baniter Geneder so leicht hintergehen könnte! Als ob ein Baniter Geneder auf die kümmerlichen Botschaften angewiesen wäre, die der Palast ihm gönnerisch zukommen ließ.
Dennoch, es war nicht einfach gewesen, Thax rechtzeitig zu erreichen. Eine halbe Woche lang war er durch den strömenden Herbstregen geritten, den letzten Tag davon ohne Unterbrechung; er spürte noch immer die aufgeweichten Fasern des Mantels auf seinem Rücken kleben, spürte seine milchig aufgedunsene Haut. Vergeblich hatten seine Begleiter ihn um eine Rast angefleht, müde und durchnässt wie sie waren; doch Baniter hatte nicht nachgegeben, war weitergeritten, um rechtzeitig in der Hauptstadt des Reiches einzutreffen. Es war nicht der erste Versuch gewesen, ihn von einer Thronratssitzung fern zu halten. Schon oft hatte man ihm die Nachricht der Einberufung vorenthalten oder verspätet zugesendet - ein beliebter Winkelzug des ›Gespanns‹. Denn er, Baniter Geneder, war der einzige Fürst, der sich im Thronrat gegen das ›Gespann‹ wandte, der es wagte, gegen sie zu opponieren. Sie fürchteten seine Scharfzüngigkeit und seinen Witz, und sie hatten allen Grund dazu.
Baniter sah sich im Thronsaal um. Seine Augen wurden schmal. Er hatte diesen Raum schon immer gehasst: die hohen Wände, ausgeschlagen mit rotem Tuch, ein dicker Stoff, der jeden Hall schluckte; die flackernden Öllampen, die den Saal in ein gelbes, fettiges Licht tauchten; der hellbraune, gewachste Eichenboden, auf dem der Widerschein der Flammen tanzte. Der Saal wirkte wie eine muffige, zu groß geratene Gruft, düster und schäbig und kalt.
Hier sitzt der Silberne Kreis, der Rat der Zehn; die mächtigen Herren Sithars verkriechen sich in der Finsternis …
Dabei war der Thronsaal noch der angenehmste Ort des Palastes. Thakstel war ein grässlicher, riesiger Bau, ein wirres Geflecht schmaler Gänge, gedrungener Kammern, Wendeltreppen und Erker. Nur selten erhellten kleine, schräge Fensteröffnungen die Räume, und so herrschte in weiten Teilen des Palastes trostlose Dunkelheit. Das alles war freilich nicht verwunderlich. Thakstel war vor
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