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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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sonst so bleiches Gesicht schien zu glühen.
    »Sie ist gerade sechzehn, habe ich mir sagen lassen«, fügte Scorutar lächelnd hinzu, »und erst seit wenigen Wochen am Hof.«
    »Sie führt sich auf, als wäre sie schon seit Jahren seine Mätresse!« Binhipar starrte finster zum Brunnen. »Wir müssen uns doch keine Sorgen machen, Scorutar?«
    Scorutar zuckte mit den Schultern. »O nein, ich glaube nicht. Aber wir sollten sie zweifellos im Auge behalten.« Er bedeutete Binhipar, ihm zu folgen. Langsam schritten sie auf den Brunnen zu.
    Es war mit einem Mal windstill geworden. Die Blätter lagen nun ruhig auf dem Gras. Der Kaiser hielt inne. Sein Blick streifte die beiden Fürsten, und sein Lächeln fiel in sich zusammen.
    Binhipar blieb stehen. Er deutete eine Verneigung an. »Majestät!«, dröhnte seine Stimme.
    Akendor beugte sich zur Seite, tauchte den leeren Becher ins Wasser und füllte ihn, um den Inhalt dann mit einer raschen Bewegung in Richtung der Spielleute zu schleudern. Kreischend sprang der Affe von seiner Trommel und flüchtete zu seinen Herren, die ihr Lautenspiel erschrocken abbrachen.
    Akendor schob vorsichtig den Kopf des Mädchens von seiner Schulter. »Fürst Binhipar! Ich bin überrascht, Euch hier zu sehen.« Seine Stimme wirkte gefasst. »Ich wusste nicht, dass Ihr bereits eingetroffen seid. Man sagte mir, Ihr wäret noch in Palidon.«
    Binhipar starrte finster zum Brunnen. »Wie kann ich in Palidon sein, wenn meine Pflicht mich nach Thax ruft? Als ich Eure Botschaft erhielt, brach ich sofort auf.«
    »Meine Botschaft?« Akendor runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, was Ihr meint.«
    »Euer Schreiben, in dem Ihr den Thronrat zusammenrieft«, half Scorutar ihm lächelnd. »Ich legte Euch den Brief damals zur Unterschrift vor.«
    »Davon weiß ich nichts«, erwiderte Akendor. »Wieso habt Ihr mich nicht daran erinnert?«
    »Aber das habe ich, Majestät!«, sagte Scorutar. »Dreimal habe ich in der letzten Woche bei Euch vorgesprochen! Heute Morgen ließ ich Euch nochmals eine Nachricht überbringen, in der ich Euch auf die heutige Sitzung hinwies. Habt Ihr sie nicht gelesen?«
    Das Mädchen an Akendors Seite hatte sich auf den Brunnenrand niedergelassen. Ihren Blick hatte sie jedoch nicht von ihm abgewandt; sie hing an seinen Lippen. Scorutar schien es, als wartete sie auf einen zornigen Ausruf des Kaisers.
    »Ich weiß nichts von diesem Treffen!«, beharrte Akendor. »Und wie Ihr seht, bin ich beschäftigt.« »Der Silberne Kreis tagt, Majestät!«, entfuhr es Binhipar. »Sämtliche Fürsten des Reiches sind nach Thax gereist, haben wochenlange Strapazen auf sich genommen, um an dieser Sitzung teilzunehmen. Sie warten auf Euch, Majestät!«
    Akendor blickte ihn verbittert an. Dann schüttelte er den Kopf. »Richtet den Fürsten aus, dass sie ohne mich tagen müssen. Ich bin müde und fühle mich unpässlich. Sagt ihnen, dass ich erst ab morgen den Beratungen beiwohnen werde.«
    Binhipars Augenlider zuckten. »Das kann ich nicht akzeptieren!«, widersprach er. »Die Lage ist zu ernst.« »Er hat Recht, Majestät«, fügte Scorutar beschwichtigend hinzu. »Die Ereignisse in Kathyga erfordern ein schnelles Handeln. Es müssen wichtige Entscheidungen getroffen werden, heute noch. Und ohne Euch ist der Rat nicht beschlussfähig.«
    »Wir können auf Eure Anwesenheit nicht verzichten«, wiederholte Binhipar. Er starrte auf das Mädchen, das noch immer zu Akendor emporblickte. »Ihr müsst uns begleiten, Majestät.«
    Leise, ganz leise pfiff der Wind. Scorutar spürte ihn über seinen Nacken streichen. Er warf Binhipar einen kurzen, giftigen Blick zu.
    Akendors Körper spannte sich, schwankte kurz unter dem Einfluss des Weines. Doch er fing sich wieder. »Ich werde kommen«, sagte er leise. Dann entließ er die Fürsten mit einer unfreundlichen Geste. Doch so schnell ließ Binhipar Nihirdi sich nicht fortschicken. Finster starrte er Akendor an. »Wir werden im Saal auf Euch warten, Majestät!«
    Scorutar packte seinen Arm und riss ihn herum. Das Funkeln in seinen Augen sprach eine deutliche Sprache. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, wandte er sich zum Gehen.
    Als Binhipar sich umdrehte, um ihm zu folgen, brach das schwarze Erdreich über seinem Stiefel. Er schien es eilig zu haben, Scorutar einzuholen. Bald waren seine wuchtigen Schritte nicht mehr zu hören; doch auf den Marmorplatten sah man die dunklen Krumen, die seine Stiefel zurückgelassen hatten.
    Wind und Musik waren verstummt, das

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