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Nebelriss

Nebelriss

Titel: Nebelriss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markolf Hoffmann
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sechs Jahrhunderten von arphatischen Kriegsherren errichtet worden - nicht als eine Residenz, sondern als eine Trutzburg gegen das candacarische Heer. Ein Monument des Krieges und der Unterdrückung; denn natürlich waren es sitharische Sklaven gewesen, die Thakstels Steine geschlagen, geschleppt und aufeinander geschichtet hatten.
Erbaut auf den Knochen unserer Vorfahren!,
fuhr es Baniter durch den Sinn.
Ob ihnen die Arbeit leichter von der Hand gegangen wäre, wenn sie gewusst hätten, dass eines Tages einmal ihr Kaiser in diesen Mauern leben würde?
    Zwölf Jahre waren vergangen, seit das ›Gespann‹ die kaiserliche Residenz nach Thax verlegt hatte. Der prunkvolle Palast in Vara, der einstigen Hauptstadt, stand nun leer; gelegentlich wurden belanglose zeremonielle Feiern im einstigen Thronsaal abgehalten, oder eine Jagdgesellschaft des ›Fürsten‹ von Varona logierte in den prachtvollen Räumen.
Der Stolz sitharischer Baukunst ist zu einem Jagdschlösschen des Schwachkopfs Hamalov Lomis geworden!,
dachte Baniter verbittert.
Welch eine Schande!
    Die Hauptstadt des Kaiserreiches aber war nun Thax, eine kalte, unwirtliche Stadt mitten im palidonischen Hochland. Von den einstigen Zentren des Reiches lag sie weit entfernt; eine Reise nach Vara oder Nagyra konnte bei schlechtem Wetter mehr als fünf Tage in Anspruch nehmen.
Ein wahrhaft günstig gelegenes Örtchen … ein Hoch auf das ›Gespann‹, das uns diese neue Hauptstadt beschert hat.
    Das ›Gespann‹ - so nannte er sie: Seine Durchlaucht Fürst Scorutar Suant von Swaaing und Binhipar Nihirdi, Fürst von Palidon; die hohen Herren der Niedertracht, die Lenker der kaiserlichen Hand. Die Verlegung der Hauptstadt war ihr Werk gewesen, und noch heute bewunderte Baniter sie für diesen Schachzug. So hatten sie das Fundament für jenes beispiellose Intrigenspiel gelegt, das sie in den folgenden Jahren betrieben hatten - und an dessen Ende sich der Thronrat wie eine Schafherde hinter sie geschart hatte.
    Schräg im Raum stand die mächtige Tafel, an der die Fürsten hockten. Sie kauerten auf schmalen, dreibeinigen Schemeln, den unbequemen ›Kaufmannsklappen‹: fellbespannte, hässliche Relikte, seit Gründung des Reiches Inventar des Thronsaals. Die Fürsten hatten ihre Ketten abgestreift und sie auf die Tischplatte gelegt, sodass sie sich gegenseitig berührten.
Der Silberne Kreis … wir schließen ihn als Verbündete, als Herrscher Sithars, gemeinsam fügen unsere Hände die Geschicke des Reiches - so sagen es die Märchen; denn was wir auch fügen, es geschieht zu unserem eigenen Vorteil; was ist der Silberne Kreis denn ein Bund falscher Schlangen?
Es herrschte eine ungute Stimmung im Thronsaal. Nervös starrten die Fürsten in die Runde und rutschen unruhig auf ihren Schemeln hin und her, sodass das Leder unter ihren ausladenden Gesäßen knirschte. Es bereitete Baniter helle Freude, sie zu beobachten; Perjan Lomis etwa, der gewiefte Stratege, dessen düsterer Blick nichts Gutes verhieß. Oder Arkon Fhonsa, der mächtige Fürst von Thoka, ein feister Mann mit dunkler, öliger Haut, dessen Finger ungeduldig auf der Tischplatte trommelten. Das sonst so überhebliche Grinsen in seinem Gesicht war zu einer verbissenen Grimasse erstarrt.
    Auch die anderen Fürsten wirkten auf merkwürdige Weise angespannt. Fürst Ascolar, ein Vetter Scorutars, der sonst Speichel leckend an der Seite seines mächtigen Verwandten hockte, hatte sich demonstrativ an das andere Ende der Tafel gesetzt. Vildor Thim (ein typischer Abkömmling seiner Familie: fliehende Stirn, vorstehendes Kinn, einfältige Soldatenmentalität) stand zum mindestens siebten Mal auf, um seinen Schemel zurechtzurücken. Hamalov Lomis, der ›Fürst‹ von Varona, ein Trottel ohne jeden Funken politischen Verstandes, lächelte Mitleid erregend in die Runde. Und Stanthimor Imer, Herrscher über den Aroc-Archipel, beugte sich mit hochrotem Kopf über die Tischplatte und überlegte angestrengt, welche Meinung man wohl in der kommenden Debatte von ihm erwartete. Oder grübelte er lediglich über sein marodes Fürstentum nach, das er mit seiner Verschwendungssucht in den Ruin getrieben hatte?
    Da saßen sie, die Narren, vollkommen ratlos und verstört; und ihr Zorn, fürchtete Baniter, würde sich über dem ›Gespann‹ entladen. Feige wie sie waren, würden die Fürsten die Schuld an der desaströsen Lage auf jene schieben, denen sie sich all die Jahre so willfährig untergeordnet hatten.
Und es wird mir eine

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