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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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uns herunterzusteigen.«
    Wallerich leistete kaum Widerstand, als sein Freund ihn am Kragen packte und davonzerrte. Im Hörsaal war indessen allgemeine Panik ausgebrochen und die beiden Heinzelmänner hatten einige Mühe, unbeschadet zwischen trampelnden Menschenbeinen zum Ausgang zu kommen.
    *
    Nöhrgel war der Älteste unter den Kölner Heinzelmännern, und obwohl in letzter Zeit einige seinen Geisteszustand bezweifelten, war er immer noch der oberste Richter und es oblag allein ihm, ein Urteil über einen Angehörigen seines Volkes zu sprechen.
    Nöhrgel strich sich geistesabwesend über die Glatze. Von seinem Haar war nur noch ein schmaler Kranz geblieben, der sein Haupt wie weißer Lorbeer umschloss. Dafür war sein Bart umso eindrucksvoller. Nach Art assyrischer Potentaten hatte er ihn in lange Locken gedreht und mit Rosenöl behandelt. Seine Kleidung stand in merkwürdigem Gegensatz zu diesem Kopf, der selbst einem biblischen Propheten gut gestanden hätte. Der Älteste steckte in einem Neoprenanzug, der an eine Taucherausrüstung erinnert hätte, wären da nicht all die Schläuche und Kabel gewesen. Sie waren mit den zahlreichen Computern verbunden, die die kleine Kammer des Ältesten fast völlig ausfüllten. Heinzelmänner hatten schon immer viel für die Technik der Menschen übrig gehabt, oder besser gesagt, sie hatten sich schon immer dafür begeistert, die Erfindungen der Menschen zu verbessern . Nöhrgel jedoch war selbst für die Verhältnisse des kleinen Volkes ein außergewöhnlicher Bastler und entsprechend sah es in seiner Kammer aus. Die Hightech-Spitzenerzeugnisse von Menschen und Heinzelmännern stapelten sich wirr durcheinander. So war Nöhrgels Schreibtisch gleich von drei menschlichen Computermonitoren umstellt, die für Heinzelmänner die Größe von Videowänden hatten. Auf dem Schreibtisch selber aber standen zwei Pentium-VII-Rechner, das Neueste aus den Hardware-Schmieden des kleinen Volkes. Rings herum bildeten aufgeschraubte Computergehäuse, modifizierte Mikrowellengeräte, lasergesteuerte Roboterarme und etliche Kilometer Kabelstränge, die kreuz und quer zwischen den Geräten verlegt waren, ein atemberaubendes Techniklabyrinth. Freilich hätte ein menschlicher Beobachter die improvisierten Gerüstplattformen und Leitern aus hölzernen Grillspießen, Konservendosenblech und Streichhölzern wohl einigermaßen seltsam gefunden und für die Körbe an altertümlichen Flaschenzügen nur ein Lächeln übrig gehabt. Doch der Umgang mit überdimensionierter menschlicher Technologie erforderte gewisse Zugeständnisse an die Körpergröße der Heinzelmännchen.
    Dass Nöhrgel aber auch noch jedes Stückchen freien Platz nutzte, um Tische mit alchemistischem Gerät aufzustellen und über die Kühlaggregate und Ventilatoren seiner Rechner bündelweise Kräuter zum Trocknen aufgehängt hatte, war selbst für einen Angehörigen des kleinen Volkes ungewöhnlich. Doch der Älteste gehörte zu den Letzten, die noch an den Lehren der mittelalterlichen Alchemie festhielten und niemals die Hoffnung aufgegeben hatten, den Stein der Weisen oder ein wirklich zuverlässiges Haarfärbemittel zu finden. So mischte sich unter das Summen der Rechner ein beständiges Blubbern und Zischen aus Tiegeln und Töpfen und das Fauchen einer alten Espressomaschine, die angeblich schon dreimal explodiert war.
    »Ihr könnt jetzt gehen«, brummte Nöhrgel die wartenden Heinzelmänner an, während er aufmerksam eine Tabelle auf einem der übergroßen Bildschirme vor seinem Schreibtisch betrachtete.
    »Aber du kannst doch nicht …«, begann Laller, der Chefankläger des hohen Rates. Er war der Zweitälteste unter den Kölner Heinzelmännern und seit Jahrhunderten Nöhrgels Rivale. Mit seinem dreifach gegabelten Bart, seiner groben Wollkleidung und einer roten Zipfelmütze war er ein typischer Vertreter der konservativen Puristen unter den Kölner Heinzelmännern. Wie üblich hatte Laller eine äußerst harte Bestrafung gefordert und diesmal wurde er in Anbetracht der Schwere des Vergehens sogar durch den Rat unterstützt.
    »Ich brauche deine Erklärungen nicht. Ich kenne die beiden, das genügt mir für ein Urteil!« Der Alte blickte zu Birgel, der augenscheinlich am liebsten im Boden versunken wäre. »Ich denke, bei ihm handelt es sich eher um ein Opfer als um einen Täter. So wie ich Wallerich kenne, hat er den ehrenwerten Birgel erpresst oder vielleicht sogar unter Drogen gesetzt. Anders kann ich mir nicht erklären,

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