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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Gestrüpp aus Mythen, Legenden und Halbwahrheiten. Ein gefundenes Fressen für die Medien. Es gibt Hunderte Zeugenaussagen, die behaupten, ein riesiges geflügeltes Wesen gesehen zu haben, was natürlich völliger Unsinn ist. Nach wie vor gibt es keine triftigen Anhaltspunkte für das Flächenfeuer, und es werden immer noch etwa ein Dutzend Personen vermisst. Ich beneide Frau Benrath wirklich nicht um ihren Job.«
    »Ja«, sagte Feldmann. »Die Ereignisse belasten uns alle sehr. Ich selbst muss mich auch noch einigen Verhören unterziehen. Beten wir, dass das alles bald vorbei sein möge und wir mit unserer Arbeit fortfahren können. In diesem Sinne. Leben Sie wohl.«
    Er schüttelte allen noch einmal die Hand und tauchte dann ab zu einem wohltuenden Bad in der Menge. Norman Stromberg sah ihm kopfschüttelnd hinterher. Was er in diesem Augenblick dachte, behielt er für sich. Dann wandte er sich an Hannah. »Ich werde jetzt ebenfalls gehen«, sagte er. »Lange Abschiede sind nicht mein Ding, außerdem juckt der Bart. Wenn Sie mir versprechen, sich mein Angebot durch den Kopf gehen zu lassen, würde mir der Abschied leichter fallen.« »Das Versprechen gebe ich Ihnen gern«, sagte Hannah, »und meinen herzlichsten Dank dafür.« »Dank?«
    »Für die großzügige Spende«, sie deutete in Richtung des Steins, »und für die Unterstützung. Ohne Sie hätte ich es niemals geschafft.«
    Stromberg winkte ab. »Ohne mich wären Sie in den Schlamassel überhaupt nicht erst hineingeraten. Nein, nein, ich bin es, der zu danken hat. Was Sie entdeckt haben, wird die Wissenschaft über Jahre hinweg mit neuen Erkenntnissen versorgen. Ich freue mich jetzt schon darauf, wie Feldmann sich an dem Dolch die Zähne ausbeißen wird. Würde mich nicht wundern, wenn er eines Tages bei Ihnen an die Tür klopft und Sie um Hilfe bittet. Und außerdem: Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Das Portal wurde geschlossen, ein für alle Mal. Es ist besser so für alle.« Er tippte an die Krempe seines Hutes. »Au revoir.«
    Mit diesen Worten verschwand er durch den Hinterausgang. Eine Weile standen Hannah und John schweigend nebeneinander, Hand in Hand. Wenn diese Geschichte ein Gutes hatte, dann das, dass sie beide wieder zueinandergefunden hatten. »Sie warten«, sagte John und drückte ihre Hand. »Ich glaube, es ist an der Zeit, dass du sie begrüßt.« »Ja«, sagte Hannah mit einem Kloß im Hals. »Du hast recht.« John nahm sie in den Arm und gemeinsam gingen sie zu den beiden Vitrinen. »Du hast mir immer noch nicht erklärt, warum du dich nach zwanzig Jahren entschieden hast, wieder Verbindung mit ihnen aufzunehmen. Abgesehen davon, dass ich nie ganz verstanden habe, warum ihr euch überhaupt entzweit habt. Aber jetzt? Ihr kennt euch doch kaum noch. Deine Mutter trägt mittlerweile eine Brille, die man als Mikroskop verwenden könnte, dein Vater hatte vor drei Jahren einen Schlaganfall, und deine Schwester ist zum dritten Mal schwanger. Ihr seid euch fremd geworden. Wieso diese Versöhnung und wieso jetzt?«
    »Besser spät als nie, findest du nicht?« »Du weichst mir aus, Hannah.«
    »Nun, wenn du es unbedingt wissen willst: Es ist wegen dir.« »Wie bitte?«
    »Wegen dir und Cynthia und Karl. Sogar wegen Stromberg. Ihr seid wie eine Familie für mich gewesen - jemand, dem man vertrauen kann. Durch euch ist mir bewusst geworden, was ich die ganzen Jahre über vermisst habe.« Sie seufzte. »Es wird Zeit, dass ich mein Einzelgängerdasein aufgebe und zu meinen Wurzeln zurückkehre.«
    Mit einem Mal gingen ihr Cynthias letzte Worte durch den Sinn. Es ist keine Frage des Wissens, sondern des Glaubens. Ja, allerdings. Religiöser Fanatismus mochte ein Übel sein, doch ganz ohne Glauben ging es auch nicht. Denn ohne ihn war die Welt nicht mehr als eine leere Hülle, bloß dazu bestimmt, zu existieren.
    Hannahs Wissen hatte ihr bei diesem Abenteuer mehr geschadet als genutzt. Wie sehr es sie auf eine falsche Fährte gelockt hatte, war erst aus der Distanz zu erkennen. Ihre nüchterne, nur auf Fakten ausgerichtete Denkweise hatte verhindert, die Dinge in ihrer wahren Dimension zu ermessen. Und sei es nur, dass es sie gehindert hatte, sich vorzustellen, wie weit manche Menschen zu gehen bereit waren.
    Glaube also als erweiterte Form der Erkenntnis? Das war eine Sichtweise, die über reines Verstehen hinausging. Der Gedanke war neu und interessant und bot viel Raum zur Interpretation. So gesehen, stellte sich nämlich die

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